Der folgende Vergleich hinkt etwas, das möchte ich vorausschicken. Es geht mir hier vor allem um die Macht der Bullies, der Am-Lautesten-Schreier.
In der Simpsons-Episode „Gleichung mit einem Unbekannten“ werden die Grundschulkinder nach Geschlechtern getrennt werden. Die Mädchen erhalten keinen ordentlichen Matheunterricht mehr. Lisa entschließt sich daraufhin, sich als Junge zu verkleiden, um sich in den Jungen-Unterricht zu schmuggeln.
Mit Kurzhaar-Perücke, Brille, Käppi wird sie zu Jack Boyman. Ein Stück Klopapier, das an ihren Schuhen haftet, wird jedoch zu ihrem Rufnamen: „Kackklo!“ rufen die Bullies. Das ist lustig, das ist markant. Und so blieb es – haften.
Daran muss ich immer denken, wenn ich Schlagzeilen lese wie
- Veganer sind Schuld an der Regenwaldabholzung
- Veganer haben schlechteres Sperma
- Getreideanbau tötet mehr Tiere als Weidehaltung
- Sojakonsum ist gefährlich
- Pflanzlich ernährte Kinder haben Mangelerscheinungen
- Vegane Produkte sind ungesund
- Tierrechtler fordern Wahlrecht für Paarhufer
Grundlage dafür sind meist falsch interpretierte Studien, die in den darauf folgenden Artikeln genüsslich breitgetreten werden. Diese sind für einen besser Informierten unerträglich zu lesen, aber das ist auch schon egal, denn das Kind ist mit der Schlagzeile bereits in den Brunnen gefallen. Denn die ist markant, die bleibt haften.
Bleibt haften bei Kollegen, Nachbarn, Freunden, Muttern, der Omma. Menschen, die ihre liebgewonnenen Gewohnheiten durch die bloße Anwesenheit eines Pflanzenköstlers in Gefahr sehen, Menschen, die im Prinzip interessiert sind, aber keine Zeit haben, sich zu informieren, Menschen, die einfach nur besorgt sind.
Was hätte Lisa/Jack auch tun sollen? Milde Lächeln und sagen, „Hmmm… offensichtlich bin ich kein Klo. Und so etwas wie ein Kackklo gibt es nicht, denn ein Klo kann nicht selbst kacken, oder? Ja, es klebt Klopapier an meiner Sohle. Es lag irgendwo auf dem Weg zur Schule auf dem Boden Und ich habe es nicht bemerkt und bin draufgestiegen. Und es ist an meiner Schuhsohle haften geblieben. Es ist mein erster Tag bei euch, ich war auch aufgeregt in der Früh und habe nicht so achtgegeben. Warum Leute ihren Müll einfach auf den Boden werfen, anstatt ihn anständig zu entsorgen, ist mir sowieso ein Rätsel. Mir wäre es aber, ehrlich gesagt, lieber gewesen, wenn ihr mich diskret darauf hingewiesen hättet, anstatt es so herumzuposaunen. Ist doch eigentlich kein großes Ding. Das passiert mir doch nicht ständig.“
Ganz schön viel BlaBla, das sind mindestens neun Sätze zuviel. Zuviele Tatsachen, zuviel Wahrheit. Da brüllen wir doch lieber alle mit: „Kackklo!“.
Das Gefühl, sich ständig rechtfertigen zu müssen, begleitet mich, seit ich keine Tierprodukte mehr konsumiere. Als würde ich aus ästhetischen Gründen gerade eine obskure Diät machen. Als hätte ich mich einer fragwürdigen Glaubensgemeinschaft angeschlossen. Als würde ich die Welt aus einem verzerrten Blickwinkel sehen.
Tatsächlich aber verlassen diejenigen, die den pflanzlichen Pfad einschlagen, ihren beengten Blickwinkel. Sie glauben nicht an die glücklichen Nutztiere, sie wissen, dass es sie so nicht gibt. Und sie vergraben sich in Studien, um sich ausgewogen zu ernähren und keine Mangelerscheinungen aufkommen zu lassen. (Natürlich gibt es Ausnahmen, diejenigen, die vergessen haben, dass sie auch mal zu den „Anderen“ gehört haben und entsprechend engstirnig argumentieren, diejenigen, die glauben, dass Veganismus die Welt rettet oder diejenigen, die jedes Jota Tierprodukt für tödlich halten. Die leider auch gerne Laut-Schreier sind und die gute Sache verzerren, aber um diese soll es hier nicht gehen.)
Webseiten und Blogs, die dumme Artikel von Bully-Guerilla-Journalisten gewissenhaft, sachlich und auch humorvoll sezieren, gibt es zum Glück einige da draußen (wie High Five Vegan, Achtung Pflanzenfresser oder der Graslutscher). Ich hoffe, dass die Leute, die dahinterstehen den Hauptanteil der so genannten Veganer repräsentieren, zu der ich auch gehören möchte.
Eine gesunde Portion Menschenverstand hie und da wäre traumhaft. Auch Bully-Journalisten haben das Recht auf freie Meinungsäußerung, aber von meiner Umwelt würde ich mir wünschen, dass sie die Artikel hinter den Schlagzeilen (aufmerksam(er)) lesen würden. Dann würden sie merken, wie tendeziös sie geschrieben sind und aufhören, mit Ätschibätschi-**hier Schlagzeile aus obiger Liste einsetzen** anzukommen.
Am Ende meines langen Lamentos erinnere ich noch einmal an den ersten Satz: der Vergleich hinkt. Denn wer hier herausgelesen haben will: „Veganer sagt: Veganismus ist Kackklo. Ätschibätschi!“, der ist doof 😉