Ernährungs-Erziehungs-Fail

In einer „befreundeten“ Kita haben die Vorschulkinder ein tolles, großes Bild gemalt zum Thema artgerechter Tierhaltung, mit glücklichen und traurigen Nutztieren vor grünem respektive grauen Hintergrund. Es hängt rechts neben dem Eingang zum Gruppenraum.

Links von der Tür hängt eine Liste mit Anregungen, was den Kindern als Jause mitgegeben werden kann: Leberwurstbrot, Bifi, BabyBel.

Böses Soja? Böser Dünger!

Das SZ-Magazin dieses Wochenendes macht eine Problematik des massiven Sojaanbaus in Südamerika zum Titelthema: den ebenso massiven Pestizideinsatz und seine Opfer. Menschen, gezeichnet vom Krebs, Atemwegserkrankungen zuhauf. Verwaiste Eltern. Kinder mit Fehlbildungen. Es ist furchtbar, was passiert und daher gut und wichtig, dass es eine größere Öffentlichkeit erfährt.

Leider kommen meiner Meinung nach einige Punkte zu kurz, wodurch Ottilie/Otto Normalverbraucher das Heft nach der Lektüre beiseitelegen wird, sich kurz mal „Oh, wie schrecklich“ denken, vom Milchkaffee To Go nippen und zur Tagesordnung übergehen.

Vom Titelblatt lässt sich erst einmal nur ableiten, dass die genmanipulierten Sojabohnen Leid über die Anwohner der Felder bringt.
Zunächst wird in einem frühen Absatz konkret aufgezählt, in welchen Lebensmitteln Soja steckt, bzw. versteckt ist. Später wird auch darauf eingegangen, dass die Nachfrage stark angestiegen ist, seit aufgrund von BSE kein Tiermehl mehr an Tiere verfüttert wird. Allerdings fehlt der Hinweis darauf, dass tatsächlich der bei weitem größte Anteil an Soja zu Tierfutter verarbeitet wird. Das Gleiche gilt natürlich für Getreide und Mais, die ebenfalls pestizidresistent designt wurden und ebenfalls in gigantischen Monokulturen ebenfalls in Südamerika angebaut werden. Diese werden jedoch nur am Rande erwähnt.

Immer wieder schimmert durch, dass laut Autor alles viel besser war, als noch Rinder in den Weiten der Pampa grasten. Wünscht er sich eine Rückkehr zu diesen Zuständen? Widerkäuende Methanschleudern schaden den Anwohnern nicht unmittelbar (so wie „uns“ die besagten Monokulturen nicht unmittelbar schaden). Für die klimatischen und ökologischen Konsequenzen müssen dennoch die späteren Generationen zahlen.

Es ist ein Artikel, der berühren soll, aber bloß nicht zu sehr. Das weniger informierte Ich vor vier, fünf Jahren hätte aus diesem Artikel nicht die Verbindung herstellen können zum Milchkaffee, den Gummibärchen, der Leberkässemmel, der Tütensuppe und dem Tassenpudding. Und und und…

Vielleicht ist es auch einfach nur guter, neutraler Journalismus. Doch wäre es schön gewesen, am Ende noch einmal dem geneigten Leser deutlich zu machen, dass er diesen Wahnsinn mitfinanziert. Dass er Teil des Problems ist.

 

Macht mich nicht froh

Sehr geehrte (Kinder)Ärzte*,

Soweit ich mit Ihnen in den letzten Jahren zu tun hatte, schätze ich Ihre fachliche Kompetenz. Wirklich, ich kann Sie allesamt nur weiterempfehlen.

Es ist sehr freundlich, den kleinen Patienten den Besuch mit einer kleinen Nascherei zu versüßen, dagegen spricht absolut nichts.

Aber, aber, aber, jetzt kommt das aber, aber das wussten Sie sicher, denn sie sind ja kluge Menschen: müssen es denn immer Gummibärchen sein? Natürlich die „guten“, originalen, man gönnt den Kleinen ja sonst nichts?

Ich gehe davon aus, dass Sie so vereinnahmt sind von Ihrem Job, ständig Fachmagazine vertieft, um auf dem neuesten Stand zu bleiben, dass Sie nicht dazugekommen sind, darüber nachzudenken, was Sie Ihrer Kundschaft da kredenzen.

Sie sind nicht die einzigen, dass muss ich Ihnen zugute halten. Sie gehören wie ich und alle Menschen zwischen 2 und 92 Jahren zu denjenigen, die entsprechen konditioniert sind: Haribo macht Kinder froh, undsoweiter undsofort. Das gute Markenprodukt, natürlich (seit in Mode) ohne künstliche Zusatzstoffe. Davor (solange in Mode) schreiend bunt.

Natürlich sind Goldbären ein praktisches Geschenk: mit einem Haps im Mund, überleben lang im Glas, das so verführerisch auf Ihren Schreibtischen steht. Beziehungsweise bei besonders wohlmeinenden Kollegen: die kleinen Giveaway-Tütchen.

So oder so, ist ja nur eine Kleinigkeit, eine Geste, ich möchte nicht undankbar erscheinen. Verzeihen Sie, dass ich Ihnen wertvolle Zeit stehle, ich bin ja immer noch nicht bei dem Grund des „Abers“ angekommen, also bitteschön (lassen Sie mich allerdings bitte ein paar Fragen vorneweg stellen):

  • Ihnen müsste klar sein, woraus Gelatine besteht?
  • Die meisten von Ihnen haben eine der führenden Tageszeitungen abonniert, die durchaus alle paar Tage über die Probleme der Massentierhaltung berichtet?
  • Viele von Ihnen kaufen bevorzugt Bio, denn Qualität ist Ihnen wichtig, vor allem natürlich beim Fleisch?

Leider ist Ihnen wohl nicht aufgefallen, dass Haribo keinerlei Bio-Siegel hat, nein, nicht einmal ein selbstgestaltetes Feigenblatt-Siegel, das in diese Richtung ginge. Die Firma hat es natürlich nicht nötig, als „Household Name“, sich in dieser Richtung hervorzutun. Wir sind mit diesen Gummibärchen großgeworden, der Genuss weckt Erinnerungen, wozu also die Pferde scheu machen?

Kurz und gut, zusammenfassend möchte ich darauf hinaus: solange wir nicht durch transparente Produktionsschritte vom Gegenteil überzeugt werden können, ist davon auszugehen, dass die Gelatine dieser bunten bärgewordenen Gaumenfreuden aus Schlachtabfällen übelster Intensivtierhaltung besteht.

Sie schenken meinem Kind also Haut-und Knochenreste von Ferkeln und/oder Kälbchen, sprich Tierkindern, die keine Tierkindheit haben durften, überzüchteten, gequälten Kreaturen.

Da stehen Sie, sagen meinem Kind „Toll hast du mitgemacht, jetzt bekommst du ein Gummibärchen!“ und das Kind ist stolz ob  des Lobs und voller Vorfreude auf die Süßigkeit und strahlt. Ja, Sie fragen mich nach dem Angebot und vor der Übergabe, ob es für mich in Ordnung gehe (hauptsächlich wohl wegen des Zuckers?). Ich kann den Nachwuchs dann nur noch darauf hinweisen, dass in dem Bärchen trauriges Schwein drin ist (denn damit kann es etwas anfangen) und ich das nicht gut finde. Aber in diesem Moment (Lob von einem anderen Erwachsenen! Süßes!) ist das Argument zu abstrakt und das Kind greift zu.

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie Sie mich und das liebe Vieh glücklich machen könnten (und die durchaus vielen Vegetariereltern da draussen!): zum Einen führt Haribo durchaus Produkte, die ohne Gelatine auskommen. Geschmacklich hinken Sie hinterher und müssen durch Säure oder Farbe aufgepeppt werden, aber dennoch hätte ich kein Problem mit einem Schlumpf als Belohnung, um ein Beispiel zu nennen. Zum Anderen gibt es in jedem guten Biomarkt Bärchen ohne tierisches Gummi. Auch diese hinken geschmacklich meist hinterher, aber ich habe viel Zeit (durch Durchforsten zahlreicher Läden) und Geld (denn Bio kostet mehr) investiert, um eine Sorte zu finden, die im Geschmack und Mundgefühl mithalten kann. Sie können sich vertrauensvoll an mich wenden, ich verrate Sie Ihnen gerne.

Bitte füllen Sie Ihre Gläser um. Tun sie es für die Tiere und die Umwelt. Denn die werden unsere Kinder auch in Zukunft brauchen.

Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, um über dieses Erste-Welt-Problem nachzudenken.

Mit freundlichen Grüßen,

M. Ota

* …, sehr geehrte „andere“, die gerne Goldbären verschenken: Großeltern, Wahlkämpfer, (Kinderschuh)Verkäufer, ältere Nachbarn als Dank fürs Blumengießen, …

Süßkrämerei

Gerade scheint im Bildungsbürgertum das Thema Zucker als Krankmacher Nummer Eins der Smalltalkthemen zu sein. Vielleicht ist es nur eine statistische Häufung in meinem Umfeld,  jedenfalls wurden mir mehrfach Gespräche hierzu aufgedrängt.

Auslöser ist scheinbar die (vor)letzte Folge von Plasberg, in der Zucker thematisiert wurde. Und ein Artikel in der SZ, der in die gleiche Kerbe schlug.

Meine Eltern beispielsweise haben heute beim Kuchenessen konsequent auf kurzkettige Kohlenhydrate im Kaffee verzichtet mit der Begründung, dass sie ja jetzt ihren Süßkonsum einschränken, da Zucker so ungesund sei.

Natürlich ist zuviel Zucker schlecht. Genauso wie zuviel Eiweiß schlecht ist oder zuviel Fett. Aber jetzt ist eben wieder Zucker in Mode. Dabei scheint es ja keine neuen Erkenntnisse zu geben. Dass er als Geschmacksverstärker großzügig in industriell hergestelltem Essen verwendet wird, ist doch ein alter Hut. Dass irgendwelche Leute „da oben“ etwas tun sollen, man aber bei Durchsetzung von Reglementierungen sofort die Freiheit eingeschränkt sehen würde, ist ebenso klar wie Kloßbrühe.

Was ich einfach nicht verstehe ist: wieso berührt dieses Thema den Bürger so besonders? Wieso jetzt (wieder)? Weil es direkt um die eigene Gesundheit geht?

Wieso hat die Dokumentation  über die Herkunft unserer Kleidung vor einigen Monaten aus der Serie 37° nicht so eine Auswirkung und führt zu einer solchen Debatte? Wieso nicht der Themenabend zur Überfischung auf arte? Wieso nicht „Schweine für den Müll“ auf 3Sat kürzlich? Oder diese Entschleunigungsdoku vor ein paar Tagen, ebenfalls auf arte (und das sind nur Dinge, über die wir zufällig im Fernsehen gesehen haben, wir forsten keine Fernsehprogramme durch)

Wieso also Zucker? Ich habe mich schon ertappt, es für ein Manöver zu halten, von den größeren Problemen in der Welt abzulenken, aber das wäre wohl paranoid?

(Fehlende Quellen- und ungenaue Zeitangaben bitte ich zu entschuldigen. Ich hab doch keine… Zeit!)

Fleischatlas – Geflügelgebirge

Der neue Fleischatlas der Heinrich-Böll-Stiftung ist herausgegeben worden, stand heute in der Süddeutschen Zeitung. Die Grafik der Zeitung lässt einen auch mit leerem Mund erstmal schlucken. Allein 700 Millionen Geflügeltiere nur in Deutschland wurden letztes Jahr geschlachtet.

Andererseits – heruntergebrochen auf die Anzahl der Bevölkerung passt es ja wieder. Etwa 10 Stück pro Kopf, die hat mancher schnell zusammen. Ein leichter, „gesunder“ Putenbrustsalat hier, dort mal schnell ein Putensandwich am Bahnhof, das eine oder andere Wiesnhendl und manchmal etwas geschniegelter (klingend) Barbarieente im Restaurant, garniert mit einem großen Truthahn am Weihnachtsabend. Und das dunkle Fleisch schickt man den „Armen in Afrika“.

Klingt dann also gar nicht nach viel, aber, wie heißt es so treffend: Kleinvieh macht auch Mist.

 

München nachhaltig

Schon vor einer Weile habe ich begonnen, eine Karte mit guten Adressen in München zusammenzustellen, wo man nachhaltig einkaufen und pflanzlich essen kann. Diese möchte ich hiermit teilen, vielleicht ist sie für jemanden hilfreich.

Natürlich ist sie sehr persönlich gefärbt und die Tipps verlaufen entlang meiner „Lebensader“, der U-Bahnlinie 3 und 6, in Neuhausen und Co gibt es sicher auch Versorgungsmöglichkeiten.

Bei den Restaurants habe ich mich weitgehen auf solche beschränkt, die auch in ihrer Karte vegane Gerichte entsprechend auszeichenen, sonst ginge das ins Uferlose.

So eröffne und verlinke ich hiermit feierlich die neue Seite „München-Karte“!

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Weihnachtszeit – Geschenkezeit

Der Spekulatius pfeift es schon seit Monaten von den Regalen, so langsam startet der Countdown: das jährliche Konsumspektakel steht wieder vor der Tür!
Bücher sind immer eine gute Geschenkidee zu Weihnachten, und idealerweise kann man andere zum Nachdenken bringen.
Hier sind vier recht unterschiedliche Buchtipps für kalte Wintertage, von feuriger Apokalypse bis zu einer Prise herzerwärmender Liebesgeschichte ist alles dabei. Im Uhrzeigersinn von rechts oben präsentiere ich:

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  • E. O. Wilson: Die Zukunft des Lebens (The Future of Life) – Eine ausführliche Bestandsaufnahme, was die Zerstörung unserer Ökosysteme (überwiegend zur Erfüllung überflüssiger Bedürfnisse), gepaart mit der Überbevölkerung, auf unserem Planeten bereits angerichtet haben, wie alles (wahrscheinlich) mit der Landwirtschaft begonnen hat, und wie die Zukunft aussieht (Spoiler gefällig: düster).
  • Jared Diamond: Kollaps (Collapse) – Auch als Erste-Welt-Bewohner darf man sich nicht sicher sein, dass alles so gemütlich bleibt, wie es ist. Zuviel Völker sind schon ausgestorben, von edlen Naturvölkern bis zu sogenannten Hochkulturen. Diamond zählt sie auf und erklärt, wie es soweit kommen kann.
  • Stephen Emmot: Zehn Milliarden (10 Billion): Papierverschwendung? Ja, bitte! Wer in ein, zwei Stunden einen Abriss dessen haben möchte, was schiefläuft,  kann das hier in knappen Worten nachlesen. Um einem Argument Nachdruck zu verleihen, wird gerne mal ein einziger Satz auf einer Seite gedruckt. Da die meisten Menschen nicht (zu) begreifen (scheinen), was exponentielles Wachstum bedeutet, sind extra viele Graphen zur Verdeutlichung abgedruckt. Dass der Autor kein Naturwissenschaftler ist, macht sich gegen Ende des Buches bemerkbar, auch seine (zitierten) Schlussworte sind platt, dennoch absolut empfehlenswert, gerade für Wenig-Leser.
  • Marina Lewycka: Caravan – Ein Liebesroman als versöhnliches Ende der Liste, aber wieso? Zum Einen ist es eine Romanze zwischen zwei osteuropäischen Saisonarbeitern, die sich (zuerst) auf einem Erdbeerfeld verdingen.  Man bekommt am Rande, mit Herz und Humor, mit, was es für die Protagonisten bedeutet, für wenig Lohn monatelang die Familie zu verlassen. Zum Anderen kommt alles anders, und die Arbeiter landen in einem geflügelverarbeitendem Betrieb. Zu dem Zeitpunkt, als ich das Buch gelesen habe, habe ich noch Fleisch gegessen, aber dieses Buch hat mir ernsthaft und für alle Zeit den Appetit auf Hühnchen und Co. verdorben (nicht, dass ich Federvieh nicht schon immer eklig fand). Wenn man sich oder anderen vor Augen führen will, wie widerwärtig Massentierhaltung und die fleischverarbeitende Industrie ist, und dabei nicht uninspiriert mit „Tiere essen“ oder einem Buch, dass „vegan“ im Titel hat, hantieren möchte, ist dieses Buch ein Geheimtipp. Man muss ja nicht einmal den Zweck des Schenkens verraten. Es ist eine kurzweilige Geschichte, bei der die Liebe siegt.

Ich wünsche von Herzen eine stille und besinnliche Zeit – am Besten jederzeit!

Ringen um Olympia

Bezüglich der Winterspiele 2022, für die München veranstalten will, schlagen zwei Seelen, ach, in meiner Brust. Heute ist nun die Abstimmung, ob die Bewerbung eingereicht wird. Heute früh sinnierte ich vor mich hin und dachte an die beiden Seiten der Medaille (aus meiner Sicht).

Erstens: die Gewohnheit, das Herz. Die schönen Erinnerungen an gemeinsame, gemütliche Stunden vorm Fernseher, in denen man mitgefiebert hat mit den Athleten. Ach was: „hat“. Daran wird sich in Zukunft auch nichts ändern. Als ich klein war, war ich traurig, dass ich 1972 noch nicht auf der Welt war. Olympia in meiner Stadt! Und ich konnte nicht dabei sein. Natürlich herrscht auf dieser Sportveranstaltung heute, wie überall sonst auch, König Kommerz, aber es ist trotzdem etwas Besonderes. Die Chance ist wieder da: Olympia in der eigenen Stadt

Zweitens: der Umweltaspekt. Olympia ist eine ungeheure Materialschlacht, mehr muss man dazu nicht sagen.

So war es für mich eigentlich klar, dass in meinem Gewissensolympia die Vernunft siegt, doch dann blitzte folgender Gedanke auf: es ist keine Entscheidung für oder gegen Olympia per se. Eigentlich klar, aber irgendwie ist mir das erst in letzter Sekunde klar geworden. Olympia ist eine ungeheure Materialschlacht, wie erwähnt, und wenn in neun Jahren noch keine Weltkriege um die Nahrung und Ressourcen geführt werden, werden diese Winterspiele stattfinden.

Von dem ökologischen Standpunkt aus muss die Entscheidung also von noch einer anderen Seite betrachtet werden: an welchem Austragungsort richten die Spiele den geringsten Schaden für die Umwelt vor Ort und das Klima weltweit an? Geht man danach, ist eine simple Entscheidung gegen München (als Eingeborener) nur ein Anrufen des heiligen St. Florian („Verschon mein Haus“, usw.). Vor dem „Hintergrund“ Sotschi und Pyeongchang ist das vielleicht keine so gute Idee.

Schnell die Zeitung durchgeblättert, die Mitbewerber sind also: Almaty, Kasachstan; Lemberg, Ukraine; Peking, China; Oslo, Norwegen. Ein Lichtblick, letzteres. Und angeblich hat es gute Chancen. Wäre es aber nicht besser, zwei Bewerber zu haben, die vielleicht ein wenig den Anspruch haben, die Veranstaltung nicht zum ökologischen Desaster werden zu lassen?
Ein paar Stunden habe ich noch Zeit zu sinnieren. Es ist nur eine Stimme von sehr vielen. Allerdings: gäbe es einen generellen, weltweiten Bürgerentscheid Pro oder Contra Olympische Spiele im Allgemeinen, würde ich sofort, wenn auch mit etwas schwerem Herzen, dagegen stimmen.

Nachkriegsgeneration vs. Generation X

Zu ersterer zählt meine Mutter, zweiterer gehöre wohl ich an… Das führt bis heute leider bisweilen zu gegenseitigem, kopfschüttelndem Unverständnis

Gestern waren wir gemeinsam beim Einkaufen fürs Enkelkind, Winterhosen mussten her. Da meine liebe Mutter sich in ökobiofairen Läden immer etwas verloren vorkommt, waren wir in einem „besseren“ Kaufhaus als Kompromiss.

Wir fanden ein paar gefütterte Hosen, die in Frage kamen, und reflexartig drehte ich sie auf Links, um die Labels zu checken. Dass ich das Produkt, dass in Bangladesch hergestellt wurde, sofort zurücklegte, nahm sie sogar verständnisvoll hin. Die anderen Beinkleider, „Markenware“, war in China hergestellt. „Um China kommt man nun einmal nicht herum“, meinte meine Mutter lapidar. Auf eine Kordhose habe ich mich eingelassen, die auf „Used“ getrimmten Jeanshosen habe ich unter ihrem Protest auch zurückgehen lassen. Da seufzte sie gottergeben: „Kind, komisch warst du schon immer“. War aber auch peinlich, vor den Verkäuferinnen (für sie).

Es hätte sicher keinen Sinn gemach, ihr von Xintang seinen gekippten Gewässern und zerstörten Lungen zu erzählen. Einer Frau, die sich karitativ extrem engagiert, die die hintersten Winkel der Welt und furchtbares Elend mit eigenen Augen vor Ort gesehen hat. Ihre Tochter, die das Elend nur aus der Zeitung und Dokumentationen kennt. Sie versteht es nicht, sie macht die „Connection“ nicht. Das verstehe ich nicht, gleichzeitig versteht sie mich nicht.

Fairsein gelingt nicht immer. Man liest wahrscheinlich immer nur von der Spitze des Eisberges. Wenn man aber über Missstände Bescheid weiß und dennoch von ihnen profitiert, ist das doch schizophren.

Ich möchte einfach versuchen, Fehlern aus dem Weg zu gehen. Da bewege ich mich auf dünnem Eis, denn früher habe ich auch nicht nachgedacht, und das kann man mir jederzeit vorwerfen (die Gleichung „teuer = gut bezahlte Arbeit und glückliche Flora und Fauna“ geht nämlich nicht auf. Das sehe ich jedes Mal, wenn ich in meinen Kleiderschrank mit vielen Altlasten blicke). Vor ein paar Jahren hätte ich wohl auch noch herablassend auf so ein Sonst-Keine-Probleme-Kleinkariertheit reagiert, daher will ich meiner Mutter das nicht vorwerfen. Ihr gönnerhaft zugutezuhalten, sie wisse es halt nich besser, ist auch daneben. Es ist halt nicht einfach. Sie tut aktiv viel Gutes innerhalb unserer Gesellschaft, da ist es eigentlich blöd, traurig über ihr Unverständnis zu sein. Ich bin ja nicht mal aktiv, steuere ja nur meinen Konsum. Ansonsten gilt wohl, dass nicht einer alle retten kann, und wenn sich jeder seine Sparte sucht, die ihm am Herzen liegt, ist das doch auch eine tolle Sache.