Vor einer Weile fragte mich mein Mann, ob ich jetzt eigentlich in irgendeiner Form „aktiv“ werden wollte, da ich zum strikten Tierproduktablehner geworden bin. Zuvor habe ich, zumindest auswärts, einfach das gegessen, was angeboten war und auch gerne geschimpft über Leute, die Extrawürste bei gemütlichen Feiern haben wollten. Da das reichlich inkonsequent ist, habe ich irgendwann meiner Einstellung nachgegeben und das meinem Gatten schonend beigebracht. Geändert hat sich unser gemeinsamer Speiseplan dadurch nur am Wochenende. Eigentlich sind nur die gelegentlichen Mehlspeisen, die mein Partner mit viel Liebe zubereitet hat, Geschichte. Auch heute kommt noch gelegentlich die Frage, ob ich den Genuss nur vorgetäuscht hätte, aber das führt vom Thema weg.
Dass ich mich nun pflanzlich ernähre, ist nach wie vor nicht überall durchgesickert, da das ein Lebensaspekt ist, über den ich mich nicht definiere. Und von denjenigen, die Bescheid wissen, hat noch niemand die entscheidende Frage gestellt, wieso ich diesen „radikalen Schritt“ getan habe. Einerseits macht mich das etwas traurig, aber andererseits sehe ich es nicht als radikalen Schritt oder Schnitt, und ich denke, dass niemand diese Frage stellt, weil jeder die Antwort kennt.
Dennoch beobachte ich bei denjenigen, die es wissen, Änderungen in ihrem Konsumverhalten.
Meine Mutter beispielsweise hat still und heimlich auf Sojamilch, -sahne und -joghurt umgestellt und entdeckt pflanzliche Brotaufstriche für sich. Wir reden auch bei ihr nicht drüber, wieso, aber wenn ich in ihrem Kühlschrank etwas entdecke, was ich gerne mag und freudestrahlend herausnehme, sagt sie, sie hat das Produkt entdeckt und es schmeckt ihr. Das ist doch einfach gut. Auf Feiern blicken Bekannte alle aufs Büffet und bemerken plötzlich, wo überall Tierisches drinsteckt. Sie erzählen, dass sie auch ihr Konsumverhalten bereits oder bald geändert haben wollen, weil in der Lebensmittelindustrie so viel im Argen liegt.
Kurz gesagt, ich bin in gewisser Weise aktiv, und das alleine dadurch, dass ich konsequent bin. Mich für einen Tierschutzverein auf die Straße stellen und Passanten aufrütteln läge mir nicht, denn ich kann es selbst nicht leiden, ständig angesprochen zu werden und mich auch noch rechtfertigen zu müssen. Auch als Aktivist wäre ich fehl am Platz, nachts brauche ich meinen Schlaf, um für Kind, Familie und Job fit zu sein, da kann ich keine Hendl befreien.
Da ich mich dafür interessiere, was in unserer westlichen Welt konsumtechnisch schiefläuft, lese ich hie und da im Netz und stoße natürlich auf viele Blogs.
Blogs über das Leben im Allgemeinen und pflanzliche Ernährung und Familie im Besoneren gibt es wie Sand am Meer, und nun ist ein weiteres Körnchen hinzugekommen. Hätte ich einen Blog gefunden, mit dem ich mich identifizieren kann, hätte ich diesen nicht gestartet. Es gibt viele – aber deswegen nicht schlechte! – Onlinetagebücher, die sich ums Zubereiten von pflanzlichem Essen drehen, solche, die sich um das Mit-Leiden mit den Nutz-, Show- und Versuchstieren drehen oder andere, die tatsächlich einen sogenannten veganen „Lifestyle“ preisen. Alles Dinge, für die mir Zeit, Empathie oder Interesse fehlen (als Teen oder Twen hatte ich von alldem mehr).
Was mich herumtreibt, ist eher, warum gerne blind konsumiert und das neue Eigentum off- und online inszeniert wird. Warum Aberglaube gelebt und verteidigt wird, auch wenn er längst wiederlegt und wider die Vernunft ist. Warum ein Aufhebens um den Verzicht von Tierprodukten gemacht wird, und zwar von den Verzichtenden wie von denen, die es nicht tun. Wieso und welche Argumente für und wider verschiedene Ernährungsweisen ins Feld geführt werden.
So fühle ich mich mit meiner Lebenssituation in Blogs unterrepräsentiert: mittelalt, mittelgeschichtet, vielleicht etwas welt- oder bildungsbürgerlich, mit oder ohne Familie und durchschnittlichem Sozialleben. Es gibt sicher noch mehr Leute, die sich nicht um jeden Straßenköter in Hinterindien kümmern wollen oder können, die sich jedoch über das „Große Ganze“ Gedanken machen. Die weitgehend aufs Auto verzichten, weil es besser ist, die wissen, dass sie manchmal eigentlich unfassbar Widerliches in sich hineinstopfen, weil es schnell gehen muss, aber möglichst Bio kaufen, die eher nicht Interesse daran haben, den neuesten Moden hinterherrennen, aber doch merken, wie sie durch Marketing beeinflusst werden. Die das aber mit einem gewissen Humor hinzunehmen wissen und nicht gleich Verschwörung schreien. Es sind wohl einfach diejenigen, die Blogschreiben und -lesen als Zeitverschwendung sehen und daher eben keine Onlinetagebücher schreiben.
So schreibe ich für mich nieder, was mich beschäftigt, und freue mich, wenn es jemand anderen interessiert. Es ist mein Versuch, ein bisschen aktiv zu sein.