Mein liebster Speck

Brown adipose tissue – braunes Fettgewebe: der Stoff, der ein zartes Neugeborenes in ein Michelin-Männchen verwandelt.

Ich bin dankbar, ein gesundes, kräftiges Baby bekommen zu haben.

Man kann dem Wonneproppen beim Wachsen förmlich zusehen und wir genießen jeden Moment, denn die Zeit vergeht gerade einfach zu schnell.

Ich bin eine schlechte Mutter

Glücklich können wir uns schätzen, ein pumperlgesundes Kind zu haben. Kontakt- , Bewegungsfreudig und überaus neugierig, zudem ein zwangloses Verhältnis zum Essen.

Letzteres ist der Haken. Unser Kind bekommt viel Gemüse, viel Obst, Nüsse, Getreidiges in allen Varianten und (pflanzliches) Süßes, wenn es danach verlangt, aber nicht die vielbeschworene „gesunde Mischkost“ (außer in der Kita). Das habe ich letztens dem Kinderarzt gesagt (den wir außer zu „U“ntersuchungen zum Glück kaum aufsuchen müssen). Dessen Miene wurde gleich sehr besorgt; mindestens dreimal die Woche Fleisch, Eisen, Spurenelemente wäre ja so wichtig, sagte er (achso…), da sollten wir schon einmal das Blut untersuchen. Heißt natürlich, eine größere Menge abzapfen. Aus einer Vene. Bei Kindern gerne vom Handrücken, da macht es nicht so viel aus, wenn sie sich bewegen.

An sich sind wir nicht zimperlich beim Nachwuchs, Piekse beim Impfen müssen sein, Schrammen gehören zum Alltag. Doch nun muss ich ihn dazu bringen, eine Minute still zu sitzen mit einer Nadel in der Hand. Warum, wird er fragen, warum und wieder warum, und was sollen wir antworten? Dass seine Ernährung nicht massenkonform ist? Dass wir ihm „gesunde Mischkost“ verwehren? Was fehlt ihm denn? Das glückliche Filet vom Biobauern? Und sonst? Kesselfleischallerlei in Bärchenform gepresst, Gouda für Einsneunzehn das Pfund, comicbedruckten Kuhmilchprodukte und sonstige Industrienahrung mit Nährstoffzusätzen? Das also, was (1.) unsere unbedarften Eltern uns einst wider besseren Wissens gekauft haben und (2.) tatsächlich so manche Ökomutti hin und wieder am Spielplatz aus dem Lastenfahrrad hervorzaubert („… aber nur eeeiinen Kinderriegel nehmen, Oskar, ja?“). Und was (3. und vor allem) immer noch, trotz besseren Wissens, in den meisten Einkaufswägen landet?

Wahrscheinlich würde ein Bluttest bei vielen Kindern Interessantes zum Vorschein bringen. Es ist aber keine Pflichtuntersuchung für alle, sondern Vorsichtsmaßnahme bei „Verdachtsfällen“.

So werden wir die Blutwerte unseres Kindes überprüfen lassen (müssen, aus gesellschaftlich gefordertem schlechtem Gewissen heraus). Ihrem Kind eine, wenn auch kurze, hoffentlich nicht schmerzhafte, aber sicher irritierende Untersuchung angedeihen lassen. Eine Untersuchung, die wochenlang für Gesprächsstoff sorgen wird, weil sie das Kleine so beschäftigen wird. Es beschäftigt mich, dass das so ist.

Schwanger und Vegan

Wie ich hier gerade sitze und meine Pfisterbreze abwechselnd in Chocoreale Duo und Zwergenwiese Brotzeit-Streich tunke, sinniere ich darüber, was jetzt anders ist im Vergleich zum letzten Mal. Damals habe ich noch alles gegessen (mit Vegetarismus habe ich mich nie aufgehalten, wer die Milch trinkt, darf/soll/muss auch das Kalbsschnitzel essen).

  • Symptome: Bisher verlief es beide Male gleich. Keine Übelkeit, aber extreme Müdigkeit am Anfang
  • Gelüste: kaum. Damals Milka Vollmilch, jetzt Rapunzel Reismilch.
  • Abneigungen: damals wie heute Tabasco-Sauce. Dieses Mal konnte ich anfangs auch keine Kichererbsen ertragen. Die standen damals noch nicht so prominent auf dem Speiseplan, daher kein Vergleich möglich
  • Mein Gewicht: steigt ziemlich parallel zum ersten Mal
  • Nachwuchs: beide Male extrem aktiv. Das große Geschwister war (einst in der „Produktionsphase“ bis zu Geburt) jedoch sehr, sehr, sehr zierlich: Das kleine ist jetzt über der Norm. Alle Werte gleichmäßig voraus.
  • Zuckertest: beim ersten Mal leicht erhöhte Werte, jedoch nicht behandlungsbedürftig, jetzt unauffällig

Und jetzt das Wichtigste, Drumroll, please: die Nährstoffversorgung meinerseits in dieser Schwangerschaft!

  • Auf B12-Supplementierung habe ich penibel geachtet, der Wert ist bestens.
  • Auch eisenhaltiges Essen war vermehrt auf dem Speiseplan. Dennoch ist der Wert im letzten Drittel leicht unterhalb der Toleranzgrenze. Daher nehme ich einen Zusatz. Beim ersten Kind waren die Hb-Werte immer schlechter im Vergleich, da musste ich schon früher etwas nehmen.
  • Das Thema Vitamin D habe ich nicht wirklich auf dem Schirm gehabt. Der Wert ist sehr niedrig, 1/5 unter der Norm. Symptome habe ich keine bemerkt, aber jetzt wird mit Vitashine aufgefüllt.

Generell ist also nicht viel anders. Das neue Kind ist besser versorgt, wieso auch immer, und das ist schön, nein, das ist das Wichtigste.

Nachkriegsgeneration vs. Generation X

Zu ersterer zählt meine Mutter, zweiterer gehöre wohl ich an… Das führt bis heute leider bisweilen zu gegenseitigem, kopfschüttelndem Unverständnis

Gestern waren wir gemeinsam beim Einkaufen fürs Enkelkind, Winterhosen mussten her. Da meine liebe Mutter sich in ökobiofairen Läden immer etwas verloren vorkommt, waren wir in einem „besseren“ Kaufhaus als Kompromiss.

Wir fanden ein paar gefütterte Hosen, die in Frage kamen, und reflexartig drehte ich sie auf Links, um die Labels zu checken. Dass ich das Produkt, dass in Bangladesch hergestellt wurde, sofort zurücklegte, nahm sie sogar verständnisvoll hin. Die anderen Beinkleider, „Markenware“, war in China hergestellt. „Um China kommt man nun einmal nicht herum“, meinte meine Mutter lapidar. Auf eine Kordhose habe ich mich eingelassen, die auf „Used“ getrimmten Jeanshosen habe ich unter ihrem Protest auch zurückgehen lassen. Da seufzte sie gottergeben: „Kind, komisch warst du schon immer“. War aber auch peinlich, vor den Verkäuferinnen (für sie).

Es hätte sicher keinen Sinn gemach, ihr von Xintang seinen gekippten Gewässern und zerstörten Lungen zu erzählen. Einer Frau, die sich karitativ extrem engagiert, die die hintersten Winkel der Welt und furchtbares Elend mit eigenen Augen vor Ort gesehen hat. Ihre Tochter, die das Elend nur aus der Zeitung und Dokumentationen kennt. Sie versteht es nicht, sie macht die „Connection“ nicht. Das verstehe ich nicht, gleichzeitig versteht sie mich nicht.

Fairsein gelingt nicht immer. Man liest wahrscheinlich immer nur von der Spitze des Eisberges. Wenn man aber über Missstände Bescheid weiß und dennoch von ihnen profitiert, ist das doch schizophren.

Ich möchte einfach versuchen, Fehlern aus dem Weg zu gehen. Da bewege ich mich auf dünnem Eis, denn früher habe ich auch nicht nachgedacht, und das kann man mir jederzeit vorwerfen (die Gleichung „teuer = gut bezahlte Arbeit und glückliche Flora und Fauna“ geht nämlich nicht auf. Das sehe ich jedes Mal, wenn ich in meinen Kleiderschrank mit vielen Altlasten blicke). Vor ein paar Jahren hätte ich wohl auch noch herablassend auf so ein Sonst-Keine-Probleme-Kleinkariertheit reagiert, daher will ich meiner Mutter das nicht vorwerfen. Ihr gönnerhaft zugutezuhalten, sie wisse es halt nich besser, ist auch daneben. Es ist halt nicht einfach. Sie tut aktiv viel Gutes innerhalb unserer Gesellschaft, da ist es eigentlich blöd, traurig über ihr Unverständnis zu sein. Ich bin ja nicht mal aktiv, steuere ja nur meinen Konsum. Ansonsten gilt wohl, dass nicht einer alle retten kann, und wenn sich jeder seine Sparte sucht, die ihm am Herzen liegt, ist das doch auch eine tolle Sache.

Kinder: Planen?

Sobald man in einem gewissen Alter ist und in einer Beziehung steckt, oder – erst recht – wenn man verheiratet ist, kommt gerne die Frage nach „Familienplanung“ auf. Häufig geschieht dies in der Verwandtschaft, furchtbar fruchtbare Freunde fragen auch gerne oder ebenso eben kennengelernte Fremde auf Feiern. Es ist ein Smalltalk-Thema, könnte man meinen: „Und, plant ihr (noch) ein Kind?“

Ich möchte immer zurückfragen, was die Leute dabei denken? Haben die nie in ein Biobuch geschaut, denken die nicht daran, was da auf molekularer Ebene erst mal geleistet werden muss, da kann schonmal viel schiefgehen, manche kommen gar nicht so weit, und dann muss ja auch erstmal alles gutgehen.

Das klingt jetzt sehr negativ, aber – zumindest in meinem Umfeld – ist alles an Unglück schon einmal dagewesen. Unerfüllter Kinderwunsch, Fehlgeburten zu allen Zeiten, Extrauterine Schwangerschaften, Chromosomenfehler, Fehlbildungen, nicht lebensfähiges Baby. Dabei ist mein Freundes- und Familienkreis nicht gerade groß (und es ist auch oft genug alles gut gegangen).Es muss doch jeder zumindest eine Geschichte von Bekannten kennen, bei der es in der „Familienplanung“ hakt. Wenn das so ist und man auch nur zu einem Funken Empathie fähig ist, sollte es einem der Anstand verbieten, sich bei anderen nach so einem seniblen Thema wie dem Kinderwunsch zu erkundigen.

Ein Kind kann man nicht planen. Ein Kind kann man nicht im Supermarkt kaufen oder „online konfigurieren“ und die Lieferung tracken.

„Und, plant ihr (noch mehr) Nachwuchs?“

Man sollte einfach – bitte – Folgendes in den Knigge aufnehmen: so etwas fragt man nicht.

Moments of Parenting Shame

Manchmal stellt man sich Fragen als junger Mensch, die man nicht beantworten kann. Dann wacht man ca. zwei Jahrzente später eines Tages auf und merkt, dass man die Antwort kennt, obwohl man die Frage längst vergessen hat.

Für einen jungen Menschen ist es ein Rätsel, warum es in so vielen Einspielern bei schadenfreudigen Home-Video-Shows, die es einst im Fernsehen gab (in Zukunft einfach durch „Clips“ und „Youtube“ ersetzen), kleine Kinder in nicht ungefährlichen Situationen zu sehen gab:

Auf dem Schlitten gegen den Baum gleitend, von der Schaukel in die Pfütze plumpsend, vom Schaukelpferd geschleudert, vom Karussell kugelnd undsoweiter undsofort.

Was sind denn das für Eltern, ja, haben die immer die Kamera im Anschlag dabei, anstatt auf das Wohl ihrer Kinder zu achten? Fragt sich der naive Teenager.

Das Rätsels Lösung: es sind die *** zweiten Male, die da dokumentiert wurden. Der überbordende Stolz, dass der Nachwuchs zum ersten Mal alleine Schlitten gefahren ist, es zum ersten Mal alleine auf das große Klettergerüst geschafft hat, sich alleine aufs Karussel getraut hat. Da holt ein begeisterter Elter die Kamera aus der Tasche, pfriemelt an den Knöpfchen, die Aufnahme muss ja schön werden, ach, da wird die Omma aber stolz sein, Kind, mach es nochmal, warte…, genau jetzt hab ich dich im Bild, und los gehts! Und schon hat man einen Moment of Parenting Shame (MoPS) festgehalten, weil das Kind auf die Eltern und die Eltern auf die Technik achten.

Wir haben es verstanden. Heute verstehen wir. Denn auch wir haben *hüstel* einen oder zwei davon auf CCD gebannt.

Aktivsein im mittleren Alter

Vor einer Weile fragte mich mein Mann, ob ich jetzt eigentlich in irgendeiner Form „aktiv“ werden wollte, da ich zum strikten Tierproduktablehner geworden bin. Zuvor habe ich, zumindest auswärts, einfach das gegessen, was angeboten war und auch gerne geschimpft über Leute, die Extrawürste bei gemütlichen Feiern haben wollten. Da das reichlich inkonsequent ist, habe ich irgendwann meiner Einstellung nachgegeben und das meinem Gatten schonend beigebracht. Geändert hat sich unser gemeinsamer Speiseplan dadurch nur am Wochenende. Eigentlich sind nur die gelegentlichen Mehlspeisen, die mein Partner mit viel Liebe zubereitet hat, Geschichte. Auch heute kommt noch gelegentlich die Frage, ob ich den Genuss nur vorgetäuscht hätte, aber das führt vom Thema weg.

Dass ich mich nun pflanzlich ernähre, ist nach wie vor nicht überall durchgesickert, da das ein Lebensaspekt ist, über den ich mich nicht definiere. Und von denjenigen, die Bescheid wissen, hat noch niemand die entscheidende Frage gestellt, wieso ich diesen „radikalen Schritt“ getan habe. Einerseits macht mich das etwas traurig, aber andererseits sehe ich es nicht als radikalen Schritt oder Schnitt, und ich denke, dass niemand diese Frage stellt, weil jeder die Antwort kennt.

Dennoch beobachte ich bei denjenigen, die es wissen, Änderungen in ihrem Konsumverhalten.

Meine Mutter beispielsweise hat still und heimlich auf Sojamilch, -sahne und -joghurt umgestellt und entdeckt pflanzliche Brotaufstriche für sich. Wir reden auch bei ihr nicht drüber, wieso, aber wenn ich in ihrem Kühlschrank etwas entdecke, was ich gerne mag und freudestrahlend herausnehme, sagt sie, sie hat das Produkt entdeckt und es schmeckt ihr. Das ist doch einfach gut. Auf Feiern blicken Bekannte alle aufs Büffet und bemerken plötzlich, wo überall Tierisches drinsteckt. Sie erzählen, dass sie auch ihr Konsumverhalten bereits oder bald geändert haben wollen, weil in der Lebensmittelindustrie so viel im Argen liegt.

Kurz gesagt, ich bin in gewisser Weise aktiv, und das alleine dadurch, dass ich konsequent bin. Mich für einen Tierschutzverein auf die Straße stellen und Passanten aufrütteln läge mir nicht, denn ich kann es selbst nicht leiden, ständig angesprochen zu werden und mich auch noch rechtfertigen zu müssen. Auch als Aktivist wäre ich fehl am Platz, nachts brauche ich meinen Schlaf, um für Kind, Familie und Job fit zu sein, da kann ich keine Hendl befreien.

Da ich mich dafür interessiere, was in unserer westlichen Welt konsumtechnisch schiefläuft, lese ich hie und da im Netz und stoße natürlich auf viele Blogs.

Blogs über das Leben im Allgemeinen und pflanzliche Ernährung und Familie im Besoneren gibt es wie Sand am Meer, und nun ist ein weiteres Körnchen hinzugekommen. Hätte ich einen Blog gefunden, mit dem ich mich identifizieren kann, hätte ich diesen nicht gestartet. Es gibt viele – aber deswegen nicht schlechte! – Onlinetagebücher, die sich ums Zubereiten von pflanzlichem Essen drehen, solche, die sich um das Mit-Leiden mit den Nutz-, Show- und Versuchstieren drehen oder andere, die tatsächlich einen sogenannten veganen „Lifestyle“ preisen. Alles Dinge, für die mir Zeit, Empathie oder Interesse fehlen (als Teen oder Twen hatte ich von alldem mehr).

Was mich herumtreibt, ist eher, warum gerne blind konsumiert und das neue Eigentum off- und online inszeniert wird. Warum Aberglaube gelebt und verteidigt wird, auch wenn er längst wiederlegt und wider die Vernunft ist. Warum ein Aufhebens um den Verzicht von Tierprodukten gemacht wird, und zwar von den Verzichtenden wie von denen, die es nicht tun. Wieso und welche Argumente für und wider verschiedene Ernährungsweisen ins Feld geführt werden.

So fühle ich mich mit meiner Lebenssituation in Blogs unterrepräsentiert: mittelalt, mittelgeschichtet, vielleicht etwas welt- oder bildungsbürgerlich, mit oder ohne Familie und durchschnittlichem Sozialleben.  Es gibt sicher noch mehr Leute, die sich nicht um jeden Straßenköter in Hinterindien kümmern wollen oder können, die sich jedoch über das „Große Ganze“ Gedanken machen. Die weitgehend aufs Auto verzichten, weil es besser ist, die wissen, dass sie manchmal eigentlich unfassbar Widerliches in sich hineinstopfen, weil es schnell gehen muss, aber möglichst Bio kaufen, die eher nicht Interesse daran haben, den neuesten Moden hinterherrennen, aber doch merken, wie sie durch Marketing beeinflusst werden. Die das aber mit einem gewissen Humor hinzunehmen wissen und nicht gleich Verschwörung schreien.  Es sind wohl einfach diejenigen, die Blogschreiben und -lesen als Zeitverschwendung sehen und daher eben keine Onlinetagebücher schreiben.

So schreibe ich für mich nieder, was mich beschäftigt, und freue mich, wenn es jemand anderen interessiert. Es ist mein Versuch, ein bisschen aktiv zu sein.

Ich will Schokolade essen!

Das ist ein Satz, den wohl jedes Kind schnell (und mit richtiger Syntax) lernt. Unser Nachwuchs kann da sehr nachdrücklich sein. Verbote oder Einschränkungen bringen im Allgemeinen nichts ausser noch größeres Verlangen, und so ist Schokolade und (und Keks, und Eis) ein ganz normales Lebensmittel in unserem Haushalt. Da es aus „Glaubensgründen“ keine Milchschokoladen gibt, ist die Auswahl entsprechend eingeschränkt. So wächst der Spross glücklich mit dunkler Schokolade und Nougat auf, und das liest sich ziemlich herzlos. Gerade so, als würde man seinem Kind Genuss und verschiedenste Geschmackserlebnisse verwehren. Künstlich, egal, es ist ja (gut) fürs Kind. Wenn ich solche zynischen Gedanken formuliere, erschrecke ich etwas vor mir selbst, denn es zeigt eine Öko-Mutti-Seite in mir auf, die mir so noch nicht bekannt war.

Begriffe wie „Süßigkeiten“ oder auch „gesundes Essen“ sind mir generell suspekt, denn sie teilen Nahrungsmittel subjektiv in Kategorien ein. Gerade die Begriffe „Süß“ und „Gesund“ scheinen an den verschiedenen Enden des gleichen Spektrums angelagert zu sein, während tatsächlich jeweils im anderen Extrem „Sauer“ respektive „Ungesund“ stehen müsste.

Welches Essen ist nun also gesund? Dasjenige, das nicht ungesund ist. Welches Essen ist ungesund? Kann man denn etwas Essen nennen, das einen krank macht? Essen kann man eigentlich alles. In den Mund nehmen, kauen, runterschlucken. Klärschlamm ist ungesund, würde ich mal behaupten, so als Beispiel. Spaß beiseite. Für Allergiker sind manche Nahrungsmittel ungesund, ja tödlich. Und sonst? Ein Schweinsbraten (fettig, fettig!) bringt einen nicht um, enthält gutes Vitamin B12 und Eisen. Drei Schweinsbraten täglich pro Mahlzeit, das wäre ungesund. So beende ich meinen Monolog zum Thema „Was ist gesundes Essen“ mit einer ollen Weisheit: die Menge macht das Gift.

Zurück zu den Süßigkeiten. Als echte Ökomutti müsste ich Rosinen reichen. Aber wer möchte schon den Geschmack verdorrter Trauben auf der Zunge, wenn einem gerade nach Kakao und Saccharose ist? Dörrobst als „Süßes“ zu deklarieren und auch nur zu besonderen Anlässen zu geben ist doch nur eine leichte Variation der gängigen gesellschaftlichen Gepflogenheiten.

Welche Schokolade gebe ich also meinem Kind? Speziell deklarierte Kindersüßware? Quietschbunt verpackt, verziert mit lustigen Tieren, die Zusammenstellung des Inhalts aus guten Gründen so kurz wie möglich gehalten? (Niedlich verpackte Kinderprodukte gibt es schon auch im Biomarkt und nicht nur beim Discounter, am Rande bemerkt. Nur, dass diese dann manchmal als etwas „weniger süß“ deklariert sind). Schmecken diese Sachen wirklich, und wenn ja, warum sind sie dann nur für Kinder? Kinder mögen Zuckriges, aber mögen sie wirklich zu Zuckriges? Mögen sie wirklich das Fruchtaroma lieber als das Original? Und wenn ja, warum? Fragen über Fragen. Ich habe nur keine Lust, mich zu viel mit ihnen zu beschäftigen.

So kriegt unser Nachwuchs einfach die sogenannten Süßigkeiten, die auch wir essen, und auch meistens dann, wenn er etwas möchte. Wir machen es einfach genauso, wie wenn er um Oliven oder Gurken bittet, denn das kommt fast genauso häufig vor und das ist ja schließlich – gesund (würden die Omas sagen).

Mütter, lasst das Senfen sein

Ein Kind gehört einem nicht allein, sagt so oder so ähnlich ein Sprichwort. Kaum hat man zur Überbevölkerung beigetragen, gibt es von allen Seiten gute bis gutgemeinte Ratschläge. Gerade Vertreter(innen!) der eigenen Generation warten mit besonders obskuren Lebensweisheiten auf.

Genaugenommen ist es sogar so, dass man eine mittelalterliche Welt des Aberglaubens betritt. Für jemanden mit naturwissenschaftlichem Hintergrund und entsprechendem sozialem Umfeld ist es geradezu erschreckend, sich plötzlich mit ungebetener Lebenshilfe auseinanderzusetzen, die auf Hörensagen und Hexerei fußt; wo wissenschaftliche Argumente mit einer derart hanebüchenen Logik zerpflückt werden, dass nur noch der schnelle Rückzug, ja wirklich Fersengeld geben, eine(n) davor verschont, den Glauben an die Rationalität zu verlieren. Wer sich eine Realität zusammengezimmert hat, hält sich an ihr fest,  Begründungen lassen sich immer finden.

Als wir ein Kind bekommen haben, habe ich schnell gelernt, dass man zu gewissen Themen einfach schweigen muss. Mit jeder eigenen/abweichenden Meinung, die man nämlich äussert, bekommt man mehr Argumente zu hören, die einem lange im Kopf geistern. Auch wenn ich Austausch mit anderen Müttern nur aufgrund dieser einen Gemeinsamkeit (Kinder zu haben) vermieden habe, gab es diverse Zusammentreffen, bei denen ich mir so auf die Lippen beissen musste, das es heute noch wehtut.  Vielleicht hilft niederschreiben ja, was ich hiermit tue.

Die wichtigsten (Kopfschüttel-)Themen kann man unter dem wunderbar passenden Akronym S.H.I.T. zusammenfassen: Stillen, Homöopathie, Impfen, Tragen.

  • Stillen ist ohne Frage phantastisch praktisch, wenn es funktioniert, wie es soll (was meistens der Fall ist, wenn nicht alle einem über die Schulter schauen und ihren Senf dazugeben würden). Manche Mutter jedoch scheinen die Hormone so dermaßen durchzurütteln, dass sie geradezu religiöse Glücksgefühle hat. Diese verbreitet sie dann gerne mit derart missionarischem Eifer, sodass man fast Schuldgefühle bekommt, wenn man die Euphorie nicht nur nicht so spüren kann, sondern nach zig Stunden Dauerbetanken one-way auf eine einsame Insel flüchten möchte. Und egal, wie lange oder kurz man stillt, ist es immer zu kurz oder lange für jemand anderen.
  • Homöopathie. Im Ernst? Neugeborenen Zäpfchen verabreichen, damit sie „ruhiger“ werden, Kleinkindern gegen Beulen Zuckerkügelchen enflößen, die ABC-Schützen bekommen dann Wassertröpfchen für bessere Konzentration. Wie man unschuldige Kinder von klein auf so in die Medikamentenabhängigkeit treiben kann, will mir nicht in den Kopf. Da kommt kein zynischer Kommentar, das ist einfach nur zynisch.
  • Womit wir beim Impfen sind. Liebe Impfgegner, der Grund, warum euer Nachwuchs und der eurer Mittstreiter keine Kinderkrankheiten bekommen (haben), ist der, dass es noch genügend „Deppen“ da draussen gibt, die ihren Kindern jede Spritze fristgerecht reinrammen lassen. Wir kämpfen wider die Perkolation und hoffen, dass unseren Neugeborenen die ersten Monate nicht eine eurer Zeitbomben zu nahe kommt.
  • Tragen ist auch eine feine Sache. Mit was, ist doch einfach nur egal. Es ist ja nicht so, dass jeder zweite Schwede humpelt, weil er etwas Zeit in der Nähe seiner Eltern in einer bestimmten Tragehilfe verbracht hat.

Die Liste der dogmatisierten „Aufzuchtthemen“ ist lang, man kann auch wortreich über blieben bisher Astrologie, Bernsteinketten, Familienbett, Hausgeburten, Osteopathie, PEKiP undundund den Kopf schütteln. Für heute reicht es.

Ein wunderbares Zitat, deren Urheberin eine Autorin ist, deren Name mir sponan nicht einfällt, lautet

Der größte Feind einer Mutter ist eine andere Mutter

Dem ist nichts hinzuzufügen. Genug gesenft.