Ernährungs-Erziehuns-Fail 2

Nicht gerade tagesaktuell, aber ich zitiere aus einer Mail aus der Kita:

„Zu unserer Faschingsparty wird es traditionell Würstel geben und Süßigkeiten. Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Kind Süßigkeiten ist, wenden Sie sich bitte an die Erzieher.“

Meine Kinder dürfen ja recht großzügig Süßes essen. Aus Prinzip Einspruch gegen die Würste erheben habe ich mir erspart, da mit Süßigkeiten hauptsächlich Schaumküsse und Gummibärchen gemeint war. Also mal wieder Pest und Cholera und man hat als Erziehungsberechtigter nur die Wahl, Spaßbremse zu sein.

Ernährungs-Erziehungs-Fail

In einer „befreundeten“ Kita haben die Vorschulkinder ein tolles, großes Bild gemalt zum Thema artgerechter Tierhaltung, mit glücklichen und traurigen Nutztieren vor grünem respektive grauen Hintergrund. Es hängt rechts neben dem Eingang zum Gruppenraum.

Links von der Tür hängt eine Liste mit Anregungen, was den Kindern als Jause mitgegeben werden kann: Leberwurstbrot, Bifi, BabyBel.

Macht mich nicht froh

Sehr geehrte (Kinder)Ärzte*,

Soweit ich mit Ihnen in den letzten Jahren zu tun hatte, schätze ich Ihre fachliche Kompetenz. Wirklich, ich kann Sie allesamt nur weiterempfehlen.

Es ist sehr freundlich, den kleinen Patienten den Besuch mit einer kleinen Nascherei zu versüßen, dagegen spricht absolut nichts.

Aber, aber, aber, jetzt kommt das aber, aber das wussten Sie sicher, denn sie sind ja kluge Menschen: müssen es denn immer Gummibärchen sein? Natürlich die „guten“, originalen, man gönnt den Kleinen ja sonst nichts?

Ich gehe davon aus, dass Sie so vereinnahmt sind von Ihrem Job, ständig Fachmagazine vertieft, um auf dem neuesten Stand zu bleiben, dass Sie nicht dazugekommen sind, darüber nachzudenken, was Sie Ihrer Kundschaft da kredenzen.

Sie sind nicht die einzigen, dass muss ich Ihnen zugute halten. Sie gehören wie ich und alle Menschen zwischen 2 und 92 Jahren zu denjenigen, die entsprechen konditioniert sind: Haribo macht Kinder froh, undsoweiter undsofort. Das gute Markenprodukt, natürlich (seit in Mode) ohne künstliche Zusatzstoffe. Davor (solange in Mode) schreiend bunt.

Natürlich sind Goldbären ein praktisches Geschenk: mit einem Haps im Mund, überleben lang im Glas, das so verführerisch auf Ihren Schreibtischen steht. Beziehungsweise bei besonders wohlmeinenden Kollegen: die kleinen Giveaway-Tütchen.

So oder so, ist ja nur eine Kleinigkeit, eine Geste, ich möchte nicht undankbar erscheinen. Verzeihen Sie, dass ich Ihnen wertvolle Zeit stehle, ich bin ja immer noch nicht bei dem Grund des „Abers“ angekommen, also bitteschön (lassen Sie mich allerdings bitte ein paar Fragen vorneweg stellen):

  • Ihnen müsste klar sein, woraus Gelatine besteht?
  • Die meisten von Ihnen haben eine der führenden Tageszeitungen abonniert, die durchaus alle paar Tage über die Probleme der Massentierhaltung berichtet?
  • Viele von Ihnen kaufen bevorzugt Bio, denn Qualität ist Ihnen wichtig, vor allem natürlich beim Fleisch?

Leider ist Ihnen wohl nicht aufgefallen, dass Haribo keinerlei Bio-Siegel hat, nein, nicht einmal ein selbstgestaltetes Feigenblatt-Siegel, das in diese Richtung ginge. Die Firma hat es natürlich nicht nötig, als „Household Name“, sich in dieser Richtung hervorzutun. Wir sind mit diesen Gummibärchen großgeworden, der Genuss weckt Erinnerungen, wozu also die Pferde scheu machen?

Kurz und gut, zusammenfassend möchte ich darauf hinaus: solange wir nicht durch transparente Produktionsschritte vom Gegenteil überzeugt werden können, ist davon auszugehen, dass die Gelatine dieser bunten bärgewordenen Gaumenfreuden aus Schlachtabfällen übelster Intensivtierhaltung besteht.

Sie schenken meinem Kind also Haut-und Knochenreste von Ferkeln und/oder Kälbchen, sprich Tierkindern, die keine Tierkindheit haben durften, überzüchteten, gequälten Kreaturen.

Da stehen Sie, sagen meinem Kind „Toll hast du mitgemacht, jetzt bekommst du ein Gummibärchen!“ und das Kind ist stolz ob  des Lobs und voller Vorfreude auf die Süßigkeit und strahlt. Ja, Sie fragen mich nach dem Angebot und vor der Übergabe, ob es für mich in Ordnung gehe (hauptsächlich wohl wegen des Zuckers?). Ich kann den Nachwuchs dann nur noch darauf hinweisen, dass in dem Bärchen trauriges Schwein drin ist (denn damit kann es etwas anfangen) und ich das nicht gut finde. Aber in diesem Moment (Lob von einem anderen Erwachsenen! Süßes!) ist das Argument zu abstrakt und das Kind greift zu.

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie Sie mich und das liebe Vieh glücklich machen könnten (und die durchaus vielen Vegetariereltern da draussen!): zum Einen führt Haribo durchaus Produkte, die ohne Gelatine auskommen. Geschmacklich hinken Sie hinterher und müssen durch Säure oder Farbe aufgepeppt werden, aber dennoch hätte ich kein Problem mit einem Schlumpf als Belohnung, um ein Beispiel zu nennen. Zum Anderen gibt es in jedem guten Biomarkt Bärchen ohne tierisches Gummi. Auch diese hinken geschmacklich meist hinterher, aber ich habe viel Zeit (durch Durchforsten zahlreicher Läden) und Geld (denn Bio kostet mehr) investiert, um eine Sorte zu finden, die im Geschmack und Mundgefühl mithalten kann. Sie können sich vertrauensvoll an mich wenden, ich verrate Sie Ihnen gerne.

Bitte füllen Sie Ihre Gläser um. Tun sie es für die Tiere und die Umwelt. Denn die werden unsere Kinder auch in Zukunft brauchen.

Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, um über dieses Erste-Welt-Problem nachzudenken.

Mit freundlichen Grüßen,

M. Ota

* …, sehr geehrte „andere“, die gerne Goldbären verschenken: Großeltern, Wahlkämpfer, (Kinderschuh)Verkäufer, ältere Nachbarn als Dank fürs Blumengießen, …

Konsum-Erziehungs-Fail

Gestern spät nachmittags im Supermarkt, nach einem langen Trödel-Bummel-Tag. Den Buggy, vollgehängt mit Wertsachen, vor mir herschiebend, versuchend, das Kind hinter mir im Auge zu behalten. Auf dem Weg zur Sojamilch in der hintersten Ecke des Kühlregals bleibt der Nachwuchs nur zu gerne immer wieder stehen, um die bunten Joghurtbecher zu inspizieren.

Irgendwann geht mir die Geduld aus und ich blöke laut: „Nein, bitte stell das wieder zurück. Das ist von traurigen Kühen. So etwas kaufen wir nicht.“

Das mag zwar inhaltlich richtig sein, aber für umstehende Einkäufer klang das sicherlich… überheblich? … selbstgerecht? … dämlich? Das will ich dem Nachwuchs eigentlich so nicht vorleben. Der erste Satz, gefolgt von „Das brauchen wir nicht.“ hätte genügt, so wie sonst auch. Weiß auch nicht, was da in mich gefahren ist, es ist mir einfach peinlich genug, um Zeit zu investieren, um hier Abbitte zu leisten.

Wird nicht wieder vorkommen.