Ernährungs-Erziehuns-Fail 2

Nicht gerade tagesaktuell, aber ich zitiere aus einer Mail aus der Kita:

„Zu unserer Faschingsparty wird es traditionell Würstel geben und Süßigkeiten. Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Kind Süßigkeiten ist, wenden Sie sich bitte an die Erzieher.“

Meine Kinder dürfen ja recht großzügig Süßes essen. Aus Prinzip Einspruch gegen die Würste erheben habe ich mir erspart, da mit Süßigkeiten hauptsächlich Schaumküsse und Gummibärchen gemeint war. Also mal wieder Pest und Cholera und man hat als Erziehungsberechtigter nur die Wahl, Spaßbremse zu sein.

Ernährungs-Erziehungs-Fail

In einer „befreundeten“ Kita haben die Vorschulkinder ein tolles, großes Bild gemalt zum Thema artgerechter Tierhaltung, mit glücklichen und traurigen Nutztieren vor grünem respektive grauen Hintergrund. Es hängt rechts neben dem Eingang zum Gruppenraum.

Links von der Tür hängt eine Liste mit Anregungen, was den Kindern als Jause mitgegeben werden kann: Leberwurstbrot, Bifi, BabyBel.

Wieso muss Fleisch an den Speck?

Wenn ich ein Erlebnis als Schlüsselmoment festlegen soll, das mich zum Nachdenken über das Nahrungs-Konsumverhalten gebracht hat und schlussendlich zum Veganismus geführt hat, dann wäre das jenes, als ich für mein jetzt großes Kind kurz nach Beikoststart ein Gläschen Rindfleisch geöffnet habe. Ein widerlicher Geruch stieg mir in die Nase, auch der Anblick des Fleischbreis war keine Freude. Damit sollte ich mein Baby füttern?
Ich mischte die Pampe unter einen Gemüsebrei. Das brachte weder eine Verbesserung der Ästhetik, noch milderte es den penetranten Gestank. Eine Geschmacksprobe rundete den Gesamteindruck ab: ekelhaft. Dennoch verfütterte ich den Brei an mein Baby. Warum? Weil man es doch so macht. Das sagt der Kinderarzt, die Hebamme, die Eltern, die Werbung: das Kind braucht doch Fleisch!
Zwar war das Kleine alles andere als begeistert von dem, was ich ihm da kredenzte, und es landeten nur wenige Bissen in seinem Magen. Trotzdem überfiel mich eine tiefe Traurigkeit: mein Kind war kein Vegetarier mehr. Nicht, dass ich zu diesem Zeitpunkt einer war, nein, aber es schlich sich ein Gefühl ein, als hätte ich meinem Kind ein Stück Unschuld geraubt.
Da ich damals eben ein durchschnittlicher unreflektierter Allesesser war, setzte bald der Alltag wieder ein. „Unser Kleines ist jetzt kein Vegetarier mehr!“, erzählte ich also verschwörerisch grinsend dem Ehemann, den Eltern, Freunden. Das ist wohl das Phänomen, dass man Kognitive Dissonanz nennt. Im Folgenden wurden dann nur noch die Fleischbeilage besser kaschierende Menügläschen angeschafft, denn es half ja alles nichts: das Kind muss doch Fleisch essen! (Hätte ich den bisherigen Text noch vor 4 Jahren gelesen, hätte ich über das winselnde Weichei gelacht.)

Jahre später standen wir nun wieder am gleichen Punkt: ein Baby im fortgeschrittenen Alter, das mehr und mehr Energie braucht. Das Kind braucht Eisen, geben Sie ihm Fleisch, sagte der Kinderarzt.  Die Hebamme, die Eltern, die Geschwister, die Werbung sagen: das Kind braucht Fleisch!
Nun weiß ich ja inzwischen als aufgeklärter Konsument, dass Fleisch wenig Eisen enthält. Schweineleber und Blut sind die einzigen wirklich guten tierischen Quellen. Soll ich meinem Kind jeden Tag eine Portion davon geben, damit es versorgt wird? Leben wir in einem von Dürre heimgesuchten Entwicklungsland und haben nur ein hageres Schwein im Garten stehen oder nicht doch in einem überversorgten Erstweltland?

Warum also soll Fleisch an den (Baby)Speck? Was enthält dieses magische Glas Fleischbrei, das praktischerweise im Handel ist, da die Kinder ja Fleisch brauchen? Fleisch liefert ja laut landläufiger (aber falscher) Meinung viel B12 und Eisen und ist tatsächlich proteinreich und Vitamin D-haltig.
Das Gläschen Rindfleischbrei eines führenden Herstellers enthält 41 % Rindfleisch, der Rest ist Wasser und etwas Öl. Der Inhalt von 125 g reicht für zwei Portionen. Der Eisengehalt von Rindfleisch liegt bei ca. 2 mg pro 100 g. Macht freundlich aufgerunded 0,6 mg Eisen pro Portion. Ein Baby ab 5 Monaten braucht 8 mg Eisen am Tag (laut DGE). Das sind nicht mal 10% davon. Und der Proteingehalt: 2 g Eiweiß pro Portion das sind immerhin ca. 20 % des Tagesbedarfs. So viel und mehr kriegt man aber auch über andere – pflanzliche – Quellen. Das Gleiche gilt für Vitamin D.

Warum Fleisch für die Kleinsten? Keine Ahnung. In dem Fall greift nicht einmal das Totschlagargument („Weil es schmeckt“).

Übrigens hat derselbe führende Hersteller vegetarische Menüs im Angebot. Diese sind mit Eisen angereichert, enthalten aber aus unklaren Gründen Kuhmilch, was der Aufnahme nicht unbedingt förderlich ist.

Viele Informationen zum Thema Makro- und Mikronährstoffe gibt es bei High Five Vegan. Ausserdem sehenswert ist die die Hitliste der eisenhaltigen Lebensmittel im Wikipedia-Artikel zum Thema Eisenmangel, die nicht nach „Warengruppen“ aufgeteilt ist und so noch deutlicher macht, wie schlecht es diesbezüglich um Nahrung tierischer Herkunft steht.

Macht mich nicht froh

Sehr geehrte (Kinder)Ärzte*,

Soweit ich mit Ihnen in den letzten Jahren zu tun hatte, schätze ich Ihre fachliche Kompetenz. Wirklich, ich kann Sie allesamt nur weiterempfehlen.

Es ist sehr freundlich, den kleinen Patienten den Besuch mit einer kleinen Nascherei zu versüßen, dagegen spricht absolut nichts.

Aber, aber, aber, jetzt kommt das aber, aber das wussten Sie sicher, denn sie sind ja kluge Menschen: müssen es denn immer Gummibärchen sein? Natürlich die „guten“, originalen, man gönnt den Kleinen ja sonst nichts?

Ich gehe davon aus, dass Sie so vereinnahmt sind von Ihrem Job, ständig Fachmagazine vertieft, um auf dem neuesten Stand zu bleiben, dass Sie nicht dazugekommen sind, darüber nachzudenken, was Sie Ihrer Kundschaft da kredenzen.

Sie sind nicht die einzigen, dass muss ich Ihnen zugute halten. Sie gehören wie ich und alle Menschen zwischen 2 und 92 Jahren zu denjenigen, die entsprechen konditioniert sind: Haribo macht Kinder froh, undsoweiter undsofort. Das gute Markenprodukt, natürlich (seit in Mode) ohne künstliche Zusatzstoffe. Davor (solange in Mode) schreiend bunt.

Natürlich sind Goldbären ein praktisches Geschenk: mit einem Haps im Mund, überleben lang im Glas, das so verführerisch auf Ihren Schreibtischen steht. Beziehungsweise bei besonders wohlmeinenden Kollegen: die kleinen Giveaway-Tütchen.

So oder so, ist ja nur eine Kleinigkeit, eine Geste, ich möchte nicht undankbar erscheinen. Verzeihen Sie, dass ich Ihnen wertvolle Zeit stehle, ich bin ja immer noch nicht bei dem Grund des „Abers“ angekommen, also bitteschön (lassen Sie mich allerdings bitte ein paar Fragen vorneweg stellen):

  • Ihnen müsste klar sein, woraus Gelatine besteht?
  • Die meisten von Ihnen haben eine der führenden Tageszeitungen abonniert, die durchaus alle paar Tage über die Probleme der Massentierhaltung berichtet?
  • Viele von Ihnen kaufen bevorzugt Bio, denn Qualität ist Ihnen wichtig, vor allem natürlich beim Fleisch?

Leider ist Ihnen wohl nicht aufgefallen, dass Haribo keinerlei Bio-Siegel hat, nein, nicht einmal ein selbstgestaltetes Feigenblatt-Siegel, das in diese Richtung ginge. Die Firma hat es natürlich nicht nötig, als „Household Name“, sich in dieser Richtung hervorzutun. Wir sind mit diesen Gummibärchen großgeworden, der Genuss weckt Erinnerungen, wozu also die Pferde scheu machen?

Kurz und gut, zusammenfassend möchte ich darauf hinaus: solange wir nicht durch transparente Produktionsschritte vom Gegenteil überzeugt werden können, ist davon auszugehen, dass die Gelatine dieser bunten bärgewordenen Gaumenfreuden aus Schlachtabfällen übelster Intensivtierhaltung besteht.

Sie schenken meinem Kind also Haut-und Knochenreste von Ferkeln und/oder Kälbchen, sprich Tierkindern, die keine Tierkindheit haben durften, überzüchteten, gequälten Kreaturen.

Da stehen Sie, sagen meinem Kind „Toll hast du mitgemacht, jetzt bekommst du ein Gummibärchen!“ und das Kind ist stolz ob  des Lobs und voller Vorfreude auf die Süßigkeit und strahlt. Ja, Sie fragen mich nach dem Angebot und vor der Übergabe, ob es für mich in Ordnung gehe (hauptsächlich wohl wegen des Zuckers?). Ich kann den Nachwuchs dann nur noch darauf hinweisen, dass in dem Bärchen trauriges Schwein drin ist (denn damit kann es etwas anfangen) und ich das nicht gut finde. Aber in diesem Moment (Lob von einem anderen Erwachsenen! Süßes!) ist das Argument zu abstrakt und das Kind greift zu.

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie Sie mich und das liebe Vieh glücklich machen könnten (und die durchaus vielen Vegetariereltern da draussen!): zum Einen führt Haribo durchaus Produkte, die ohne Gelatine auskommen. Geschmacklich hinken Sie hinterher und müssen durch Säure oder Farbe aufgepeppt werden, aber dennoch hätte ich kein Problem mit einem Schlumpf als Belohnung, um ein Beispiel zu nennen. Zum Anderen gibt es in jedem guten Biomarkt Bärchen ohne tierisches Gummi. Auch diese hinken geschmacklich meist hinterher, aber ich habe viel Zeit (durch Durchforsten zahlreicher Läden) und Geld (denn Bio kostet mehr) investiert, um eine Sorte zu finden, die im Geschmack und Mundgefühl mithalten kann. Sie können sich vertrauensvoll an mich wenden, ich verrate Sie Ihnen gerne.

Bitte füllen Sie Ihre Gläser um. Tun sie es für die Tiere und die Umwelt. Denn die werden unsere Kinder auch in Zukunft brauchen.

Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, um über dieses Erste-Welt-Problem nachzudenken.

Mit freundlichen Grüßen,

M. Ota

* …, sehr geehrte „andere“, die gerne Goldbären verschenken: Großeltern, Wahlkämpfer, (Kinderschuh)Verkäufer, ältere Nachbarn als Dank fürs Blumengießen, …

Ich bin eine schlechte Mutter

Glücklich können wir uns schätzen, ein pumperlgesundes Kind zu haben. Kontakt- , Bewegungsfreudig und überaus neugierig, zudem ein zwangloses Verhältnis zum Essen.

Letzteres ist der Haken. Unser Kind bekommt viel Gemüse, viel Obst, Nüsse, Getreidiges in allen Varianten und (pflanzliches) Süßes, wenn es danach verlangt, aber nicht die vielbeschworene „gesunde Mischkost“ (außer in der Kita). Das habe ich letztens dem Kinderarzt gesagt (den wir außer zu „U“ntersuchungen zum Glück kaum aufsuchen müssen). Dessen Miene wurde gleich sehr besorgt; mindestens dreimal die Woche Fleisch, Eisen, Spurenelemente wäre ja so wichtig, sagte er (achso…), da sollten wir schon einmal das Blut untersuchen. Heißt natürlich, eine größere Menge abzapfen. Aus einer Vene. Bei Kindern gerne vom Handrücken, da macht es nicht so viel aus, wenn sie sich bewegen.

An sich sind wir nicht zimperlich beim Nachwuchs, Piekse beim Impfen müssen sein, Schrammen gehören zum Alltag. Doch nun muss ich ihn dazu bringen, eine Minute still zu sitzen mit einer Nadel in der Hand. Warum, wird er fragen, warum und wieder warum, und was sollen wir antworten? Dass seine Ernährung nicht massenkonform ist? Dass wir ihm „gesunde Mischkost“ verwehren? Was fehlt ihm denn? Das glückliche Filet vom Biobauern? Und sonst? Kesselfleischallerlei in Bärchenform gepresst, Gouda für Einsneunzehn das Pfund, comicbedruckten Kuhmilchprodukte und sonstige Industrienahrung mit Nährstoffzusätzen? Das also, was (1.) unsere unbedarften Eltern uns einst wider besseren Wissens gekauft haben und (2.) tatsächlich so manche Ökomutti hin und wieder am Spielplatz aus dem Lastenfahrrad hervorzaubert („… aber nur eeeiinen Kinderriegel nehmen, Oskar, ja?“). Und was (3. und vor allem) immer noch, trotz besseren Wissens, in den meisten Einkaufswägen landet?

Wahrscheinlich würde ein Bluttest bei vielen Kindern Interessantes zum Vorschein bringen. Es ist aber keine Pflichtuntersuchung für alle, sondern Vorsichtsmaßnahme bei „Verdachtsfällen“.

So werden wir die Blutwerte unseres Kindes überprüfen lassen (müssen, aus gesellschaftlich gefordertem schlechtem Gewissen heraus). Ihrem Kind eine, wenn auch kurze, hoffentlich nicht schmerzhafte, aber sicher irritierende Untersuchung angedeihen lassen. Eine Untersuchung, die wochenlang für Gesprächsstoff sorgen wird, weil sie das Kleine so beschäftigen wird. Es beschäftigt mich, dass das so ist.

Konsum-Erziehungs-Fail

Gestern spät nachmittags im Supermarkt, nach einem langen Trödel-Bummel-Tag. Den Buggy, vollgehängt mit Wertsachen, vor mir herschiebend, versuchend, das Kind hinter mir im Auge zu behalten. Auf dem Weg zur Sojamilch in der hintersten Ecke des Kühlregals bleibt der Nachwuchs nur zu gerne immer wieder stehen, um die bunten Joghurtbecher zu inspizieren.

Irgendwann geht mir die Geduld aus und ich blöke laut: „Nein, bitte stell das wieder zurück. Das ist von traurigen Kühen. So etwas kaufen wir nicht.“

Das mag zwar inhaltlich richtig sein, aber für umstehende Einkäufer klang das sicherlich… überheblich? … selbstgerecht? … dämlich? Das will ich dem Nachwuchs eigentlich so nicht vorleben. Der erste Satz, gefolgt von „Das brauchen wir nicht.“ hätte genügt, so wie sonst auch. Weiß auch nicht, was da in mich gefahren ist, es ist mir einfach peinlich genug, um Zeit zu investieren, um hier Abbitte zu leisten.

Wird nicht wieder vorkommen.

Kinder: Planen?

Sobald man in einem gewissen Alter ist und in einer Beziehung steckt, oder – erst recht – wenn man verheiratet ist, kommt gerne die Frage nach „Familienplanung“ auf. Häufig geschieht dies in der Verwandtschaft, furchtbar fruchtbare Freunde fragen auch gerne oder ebenso eben kennengelernte Fremde auf Feiern. Es ist ein Smalltalk-Thema, könnte man meinen: „Und, plant ihr (noch) ein Kind?“

Ich möchte immer zurückfragen, was die Leute dabei denken? Haben die nie in ein Biobuch geschaut, denken die nicht daran, was da auf molekularer Ebene erst mal geleistet werden muss, da kann schonmal viel schiefgehen, manche kommen gar nicht so weit, und dann muss ja auch erstmal alles gutgehen.

Das klingt jetzt sehr negativ, aber – zumindest in meinem Umfeld – ist alles an Unglück schon einmal dagewesen. Unerfüllter Kinderwunsch, Fehlgeburten zu allen Zeiten, Extrauterine Schwangerschaften, Chromosomenfehler, Fehlbildungen, nicht lebensfähiges Baby. Dabei ist mein Freundes- und Familienkreis nicht gerade groß (und es ist auch oft genug alles gut gegangen).Es muss doch jeder zumindest eine Geschichte von Bekannten kennen, bei der es in der „Familienplanung“ hakt. Wenn das so ist und man auch nur zu einem Funken Empathie fähig ist, sollte es einem der Anstand verbieten, sich bei anderen nach so einem seniblen Thema wie dem Kinderwunsch zu erkundigen.

Ein Kind kann man nicht planen. Ein Kind kann man nicht im Supermarkt kaufen oder „online konfigurieren“ und die Lieferung tracken.

„Und, plant ihr (noch mehr) Nachwuchs?“

Man sollte einfach – bitte – Folgendes in den Knigge aufnehmen: so etwas fragt man nicht.

Moments of Parenting Shame

Manchmal stellt man sich Fragen als junger Mensch, die man nicht beantworten kann. Dann wacht man ca. zwei Jahrzente später eines Tages auf und merkt, dass man die Antwort kennt, obwohl man die Frage längst vergessen hat.

Für einen jungen Menschen ist es ein Rätsel, warum es in so vielen Einspielern bei schadenfreudigen Home-Video-Shows, die es einst im Fernsehen gab (in Zukunft einfach durch „Clips“ und „Youtube“ ersetzen), kleine Kinder in nicht ungefährlichen Situationen zu sehen gab:

Auf dem Schlitten gegen den Baum gleitend, von der Schaukel in die Pfütze plumpsend, vom Schaukelpferd geschleudert, vom Karussell kugelnd undsoweiter undsofort.

Was sind denn das für Eltern, ja, haben die immer die Kamera im Anschlag dabei, anstatt auf das Wohl ihrer Kinder zu achten? Fragt sich der naive Teenager.

Das Rätsels Lösung: es sind die *** zweiten Male, die da dokumentiert wurden. Der überbordende Stolz, dass der Nachwuchs zum ersten Mal alleine Schlitten gefahren ist, es zum ersten Mal alleine auf das große Klettergerüst geschafft hat, sich alleine aufs Karussel getraut hat. Da holt ein begeisterter Elter die Kamera aus der Tasche, pfriemelt an den Knöpfchen, die Aufnahme muss ja schön werden, ach, da wird die Omma aber stolz sein, Kind, mach es nochmal, warte…, genau jetzt hab ich dich im Bild, und los gehts! Und schon hat man einen Moment of Parenting Shame (MoPS) festgehalten, weil das Kind auf die Eltern und die Eltern auf die Technik achten.

Wir haben es verstanden. Heute verstehen wir. Denn auch wir haben *hüstel* einen oder zwei davon auf CCD gebannt.

Ich will Schokolade essen!

Das ist ein Satz, den wohl jedes Kind schnell (und mit richtiger Syntax) lernt. Unser Nachwuchs kann da sehr nachdrücklich sein. Verbote oder Einschränkungen bringen im Allgemeinen nichts ausser noch größeres Verlangen, und so ist Schokolade und (und Keks, und Eis) ein ganz normales Lebensmittel in unserem Haushalt. Da es aus „Glaubensgründen“ keine Milchschokoladen gibt, ist die Auswahl entsprechend eingeschränkt. So wächst der Spross glücklich mit dunkler Schokolade und Nougat auf, und das liest sich ziemlich herzlos. Gerade so, als würde man seinem Kind Genuss und verschiedenste Geschmackserlebnisse verwehren. Künstlich, egal, es ist ja (gut) fürs Kind. Wenn ich solche zynischen Gedanken formuliere, erschrecke ich etwas vor mir selbst, denn es zeigt eine Öko-Mutti-Seite in mir auf, die mir so noch nicht bekannt war.

Begriffe wie „Süßigkeiten“ oder auch „gesundes Essen“ sind mir generell suspekt, denn sie teilen Nahrungsmittel subjektiv in Kategorien ein. Gerade die Begriffe „Süß“ und „Gesund“ scheinen an den verschiedenen Enden des gleichen Spektrums angelagert zu sein, während tatsächlich jeweils im anderen Extrem „Sauer“ respektive „Ungesund“ stehen müsste.

Welches Essen ist nun also gesund? Dasjenige, das nicht ungesund ist. Welches Essen ist ungesund? Kann man denn etwas Essen nennen, das einen krank macht? Essen kann man eigentlich alles. In den Mund nehmen, kauen, runterschlucken. Klärschlamm ist ungesund, würde ich mal behaupten, so als Beispiel. Spaß beiseite. Für Allergiker sind manche Nahrungsmittel ungesund, ja tödlich. Und sonst? Ein Schweinsbraten (fettig, fettig!) bringt einen nicht um, enthält gutes Vitamin B12 und Eisen. Drei Schweinsbraten täglich pro Mahlzeit, das wäre ungesund. So beende ich meinen Monolog zum Thema „Was ist gesundes Essen“ mit einer ollen Weisheit: die Menge macht das Gift.

Zurück zu den Süßigkeiten. Als echte Ökomutti müsste ich Rosinen reichen. Aber wer möchte schon den Geschmack verdorrter Trauben auf der Zunge, wenn einem gerade nach Kakao und Saccharose ist? Dörrobst als „Süßes“ zu deklarieren und auch nur zu besonderen Anlässen zu geben ist doch nur eine leichte Variation der gängigen gesellschaftlichen Gepflogenheiten.

Welche Schokolade gebe ich also meinem Kind? Speziell deklarierte Kindersüßware? Quietschbunt verpackt, verziert mit lustigen Tieren, die Zusammenstellung des Inhalts aus guten Gründen so kurz wie möglich gehalten? (Niedlich verpackte Kinderprodukte gibt es schon auch im Biomarkt und nicht nur beim Discounter, am Rande bemerkt. Nur, dass diese dann manchmal als etwas „weniger süß“ deklariert sind). Schmecken diese Sachen wirklich, und wenn ja, warum sind sie dann nur für Kinder? Kinder mögen Zuckriges, aber mögen sie wirklich zu Zuckriges? Mögen sie wirklich das Fruchtaroma lieber als das Original? Und wenn ja, warum? Fragen über Fragen. Ich habe nur keine Lust, mich zu viel mit ihnen zu beschäftigen.

So kriegt unser Nachwuchs einfach die sogenannten Süßigkeiten, die auch wir essen, und auch meistens dann, wenn er etwas möchte. Wir machen es einfach genauso, wie wenn er um Oliven oder Gurken bittet, denn das kommt fast genauso häufig vor und das ist ja schließlich – gesund (würden die Omas sagen).