Ernährungs-Erziehuns-Fail 2

Nicht gerade tagesaktuell, aber ich zitiere aus einer Mail aus der Kita:

„Zu unserer Faschingsparty wird es traditionell Würstel geben und Süßigkeiten. Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Kind Süßigkeiten ist, wenden Sie sich bitte an die Erzieher.“

Meine Kinder dürfen ja recht großzügig Süßes essen. Aus Prinzip Einspruch gegen die Würste erheben habe ich mir erspart, da mit Süßigkeiten hauptsächlich Schaumküsse und Gummibärchen gemeint war. Also mal wieder Pest und Cholera und man hat als Erziehungsberechtigter nur die Wahl, Spaßbremse zu sein.

Ich bin eine schlechte Mutter

Glücklich können wir uns schätzen, ein pumperlgesundes Kind zu haben. Kontakt- , Bewegungsfreudig und überaus neugierig, zudem ein zwangloses Verhältnis zum Essen.

Letzteres ist der Haken. Unser Kind bekommt viel Gemüse, viel Obst, Nüsse, Getreidiges in allen Varianten und (pflanzliches) Süßes, wenn es danach verlangt, aber nicht die vielbeschworene „gesunde Mischkost“ (außer in der Kita). Das habe ich letztens dem Kinderarzt gesagt (den wir außer zu „U“ntersuchungen zum Glück kaum aufsuchen müssen). Dessen Miene wurde gleich sehr besorgt; mindestens dreimal die Woche Fleisch, Eisen, Spurenelemente wäre ja so wichtig, sagte er (achso…), da sollten wir schon einmal das Blut untersuchen. Heißt natürlich, eine größere Menge abzapfen. Aus einer Vene. Bei Kindern gerne vom Handrücken, da macht es nicht so viel aus, wenn sie sich bewegen.

An sich sind wir nicht zimperlich beim Nachwuchs, Piekse beim Impfen müssen sein, Schrammen gehören zum Alltag. Doch nun muss ich ihn dazu bringen, eine Minute still zu sitzen mit einer Nadel in der Hand. Warum, wird er fragen, warum und wieder warum, und was sollen wir antworten? Dass seine Ernährung nicht massenkonform ist? Dass wir ihm „gesunde Mischkost“ verwehren? Was fehlt ihm denn? Das glückliche Filet vom Biobauern? Und sonst? Kesselfleischallerlei in Bärchenform gepresst, Gouda für Einsneunzehn das Pfund, comicbedruckten Kuhmilchprodukte und sonstige Industrienahrung mit Nährstoffzusätzen? Das also, was (1.) unsere unbedarften Eltern uns einst wider besseren Wissens gekauft haben und (2.) tatsächlich so manche Ökomutti hin und wieder am Spielplatz aus dem Lastenfahrrad hervorzaubert („… aber nur eeeiinen Kinderriegel nehmen, Oskar, ja?“). Und was (3. und vor allem) immer noch, trotz besseren Wissens, in den meisten Einkaufswägen landet?

Wahrscheinlich würde ein Bluttest bei vielen Kindern Interessantes zum Vorschein bringen. Es ist aber keine Pflichtuntersuchung für alle, sondern Vorsichtsmaßnahme bei „Verdachtsfällen“.

So werden wir die Blutwerte unseres Kindes überprüfen lassen (müssen, aus gesellschaftlich gefordertem schlechtem Gewissen heraus). Ihrem Kind eine, wenn auch kurze, hoffentlich nicht schmerzhafte, aber sicher irritierende Untersuchung angedeihen lassen. Eine Untersuchung, die wochenlang für Gesprächsstoff sorgen wird, weil sie das Kleine so beschäftigen wird. Es beschäftigt mich, dass das so ist.

Moments of Parenting Shame

Manchmal stellt man sich Fragen als junger Mensch, die man nicht beantworten kann. Dann wacht man ca. zwei Jahrzente später eines Tages auf und merkt, dass man die Antwort kennt, obwohl man die Frage längst vergessen hat.

Für einen jungen Menschen ist es ein Rätsel, warum es in so vielen Einspielern bei schadenfreudigen Home-Video-Shows, die es einst im Fernsehen gab (in Zukunft einfach durch „Clips“ und „Youtube“ ersetzen), kleine Kinder in nicht ungefährlichen Situationen zu sehen gab:

Auf dem Schlitten gegen den Baum gleitend, von der Schaukel in die Pfütze plumpsend, vom Schaukelpferd geschleudert, vom Karussell kugelnd undsoweiter undsofort.

Was sind denn das für Eltern, ja, haben die immer die Kamera im Anschlag dabei, anstatt auf das Wohl ihrer Kinder zu achten? Fragt sich der naive Teenager.

Das Rätsels Lösung: es sind die *** zweiten Male, die da dokumentiert wurden. Der überbordende Stolz, dass der Nachwuchs zum ersten Mal alleine Schlitten gefahren ist, es zum ersten Mal alleine auf das große Klettergerüst geschafft hat, sich alleine aufs Karussel getraut hat. Da holt ein begeisterter Elter die Kamera aus der Tasche, pfriemelt an den Knöpfchen, die Aufnahme muss ja schön werden, ach, da wird die Omma aber stolz sein, Kind, mach es nochmal, warte…, genau jetzt hab ich dich im Bild, und los gehts! Und schon hat man einen Moment of Parenting Shame (MoPS) festgehalten, weil das Kind auf die Eltern und die Eltern auf die Technik achten.

Wir haben es verstanden. Heute verstehen wir. Denn auch wir haben *hüstel* einen oder zwei davon auf CCD gebannt.

Ich will Schokolade essen!

Das ist ein Satz, den wohl jedes Kind schnell (und mit richtiger Syntax) lernt. Unser Nachwuchs kann da sehr nachdrücklich sein. Verbote oder Einschränkungen bringen im Allgemeinen nichts ausser noch größeres Verlangen, und so ist Schokolade und (und Keks, und Eis) ein ganz normales Lebensmittel in unserem Haushalt. Da es aus „Glaubensgründen“ keine Milchschokoladen gibt, ist die Auswahl entsprechend eingeschränkt. So wächst der Spross glücklich mit dunkler Schokolade und Nougat auf, und das liest sich ziemlich herzlos. Gerade so, als würde man seinem Kind Genuss und verschiedenste Geschmackserlebnisse verwehren. Künstlich, egal, es ist ja (gut) fürs Kind. Wenn ich solche zynischen Gedanken formuliere, erschrecke ich etwas vor mir selbst, denn es zeigt eine Öko-Mutti-Seite in mir auf, die mir so noch nicht bekannt war.

Begriffe wie „Süßigkeiten“ oder auch „gesundes Essen“ sind mir generell suspekt, denn sie teilen Nahrungsmittel subjektiv in Kategorien ein. Gerade die Begriffe „Süß“ und „Gesund“ scheinen an den verschiedenen Enden des gleichen Spektrums angelagert zu sein, während tatsächlich jeweils im anderen Extrem „Sauer“ respektive „Ungesund“ stehen müsste.

Welches Essen ist nun also gesund? Dasjenige, das nicht ungesund ist. Welches Essen ist ungesund? Kann man denn etwas Essen nennen, das einen krank macht? Essen kann man eigentlich alles. In den Mund nehmen, kauen, runterschlucken. Klärschlamm ist ungesund, würde ich mal behaupten, so als Beispiel. Spaß beiseite. Für Allergiker sind manche Nahrungsmittel ungesund, ja tödlich. Und sonst? Ein Schweinsbraten (fettig, fettig!) bringt einen nicht um, enthält gutes Vitamin B12 und Eisen. Drei Schweinsbraten täglich pro Mahlzeit, das wäre ungesund. So beende ich meinen Monolog zum Thema „Was ist gesundes Essen“ mit einer ollen Weisheit: die Menge macht das Gift.

Zurück zu den Süßigkeiten. Als echte Ökomutti müsste ich Rosinen reichen. Aber wer möchte schon den Geschmack verdorrter Trauben auf der Zunge, wenn einem gerade nach Kakao und Saccharose ist? Dörrobst als „Süßes“ zu deklarieren und auch nur zu besonderen Anlässen zu geben ist doch nur eine leichte Variation der gängigen gesellschaftlichen Gepflogenheiten.

Welche Schokolade gebe ich also meinem Kind? Speziell deklarierte Kindersüßware? Quietschbunt verpackt, verziert mit lustigen Tieren, die Zusammenstellung des Inhalts aus guten Gründen so kurz wie möglich gehalten? (Niedlich verpackte Kinderprodukte gibt es schon auch im Biomarkt und nicht nur beim Discounter, am Rande bemerkt. Nur, dass diese dann manchmal als etwas „weniger süß“ deklariert sind). Schmecken diese Sachen wirklich, und wenn ja, warum sind sie dann nur für Kinder? Kinder mögen Zuckriges, aber mögen sie wirklich zu Zuckriges? Mögen sie wirklich das Fruchtaroma lieber als das Original? Und wenn ja, warum? Fragen über Fragen. Ich habe nur keine Lust, mich zu viel mit ihnen zu beschäftigen.

So kriegt unser Nachwuchs einfach die sogenannten Süßigkeiten, die auch wir essen, und auch meistens dann, wenn er etwas möchte. Wir machen es einfach genauso, wie wenn er um Oliven oder Gurken bittet, denn das kommt fast genauso häufig vor und das ist ja schließlich – gesund (würden die Omas sagen).