Schleierhafte Recherchemethoden

Es ist ja nun so, dass man, wenn man in irgendwelchen Ansichten nicht gesellschaftskonform geht, gerne Argwohn, Vorurteilen oder auch Spott ausgesetzt ist.

Veganismus, hässliches Wort, ist so eine Form von Gegen-den-(westeruropäischen-)Strom-Schwimmen. Ich verstehe das als das absolute Gegenteil einer Religion, gewissermaßen ist es eine Abkehr vom karnistischen Glauben. Akarnismus.

Das schicke ich nur voraus, bevor ich zu dem letzten Beitrag von Margarete Stokowski auf SPON verlinke. Es geht um die derzeitig geführte Verschleierungsdebatte, die wohl zahlreiche westliche Journalistinnen zu der fantastischen Idee verleitet hat, für einen kurzen Zeitraum ihres Lebens einen Schleier-Selbstversuch durchzuführen.

Die oberflächlichen Erkenntnisse daraus (à la kneift, schubbert, heiß, wie jetzt elegant den footlong Hot Dog essen…) mögen argwöhnische, vorurteilsbeladene, spottende Zeitgenossen schenkelklopfend aufsaugen und beim nächsten Stammtisch versprühen. Eine Erklärung (à la WARUM machen die das) für wirklich Interessierte liefern sie überhaupt nicht.

Bei dieser aktuellen Debatte kann ich nicht mitreden, aber natürlich erinnert mich das an die zahllosen Vegan-Selbstversuche, durchgeführt von westlichen Durchschnittsessern mit journalistischen Ambitionen, die von einem Tag zum anderen einfach planlos Tierprodukte vom Speiseplan streichen. Deren Erkenntnisse (Haferflocken mit Wasser ist bäh, Tofu ist bäh, mir ist so kalt, bin müde, Hungaaaaaah…) sind für die einen (Eltern, Geschwister, Onkel Ewald) Wasser auf die Mühlen. Für mich, wenn ich mit so einem Artikel „konfrontiert“ werde, einfach nur ein Ärgernis, das mich resignierend die Schultern zucken lässt.

Frau Stokowski gibt diesen rasend(machend)en Reportern einen wirklich, wirklich fantastischen Rat: geht doch einfach mal zu den Leuten, die das Gesellschaftsbild eurer Meinung nach verzerren, und fragt sie: WARUM?

Ja, das würde helfen, den Blätterwald aufzuforsten. Geht zu jemandem hin, fragt, WARUM willst du dein Gesicht nicht zeigen, kein Ei essen, den ersten Platz bei der Westminster Dog Show? Es würde nicht dazu führen, dass jeder aus den Rahmen springt, aber vielleicht wird es den Horizont erweitern.

Ja, ich vergleiche hier Äpfel mit Birnen mit Quitten, was die Thematik der Selbstversuchs-Reportagen angeht, und über Sinn oder Unsinn will ich jetzt auch nicht debattieren. Aber die Aufgabe einen Journalisten sollte es ja wohl nicht sein, ihre eigenen Vorurteile zu bestätigen. Sollte er nicht eher anderen helfen, Vorurteile zu überwinden, sollte er nicht seine Rechercheergebnisse differenziert präsentieren und den Leser neue Denkanstöße geben?

(Onkel Ewald kann gerne daherkommen und erzählen, dass er gestern (versehentlich, vermutlich) vegan gegessen hat, und sich jetzt ganz schwach fühlt, damit kann ich leben. Wenn Onkel Ewald sagt, dass ein Journalist herausgefunden hat, dass man sich ganz schwach fühlt, wenn man einen Tag vegan lebt, hat das einfach eine andere Dimension.)

Ernährungs-Erziehuns-Fail 2

Nicht gerade tagesaktuell, aber ich zitiere aus einer Mail aus der Kita:

„Zu unserer Faschingsparty wird es traditionell Würstel geben und Süßigkeiten. Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Kind Süßigkeiten ist, wenden Sie sich bitte an die Erzieher.“

Meine Kinder dürfen ja recht großzügig Süßes essen. Aus Prinzip Einspruch gegen die Würste erheben habe ich mir erspart, da mit Süßigkeiten hauptsächlich Schaumküsse und Gummibärchen gemeint war. Also mal wieder Pest und Cholera und man hat als Erziehungsberechtigter nur die Wahl, Spaßbremse zu sein.

Über Leichen zu Bratkartoffeln

Man ( = ich) betritt gegen Mittag hungrig eine Bäckerei und entdeckt erfreut, dass in der vorhandenen Warmhalte-Vitrine nicht nur das übliche Schweinsallerlei liegt, sondern auch appetitlich aussehende Bratkartoffeln.

Man: Schön, dass sie Bratkartoffeln haben. Sind die mit Pflanzenöl gebraten?

Verkäuferin: Hm… Ja? … Ja.

Man: Prima, dann hätte ich gerne eine Portion zum Mitnehmen.

Verkäuferin: Mit Leberkäse oder Fleischpflanzerl?

Man: Nur so, bitte.

Verkäuferin: Das geht nicht, Bratkartoffeln gibt’s nur im Menü.

Man: …

Verkäuferin: Also, sie wollen…?

Man: Eine Semmel, bitte.

Verkäuferin: Bitteschön, der Nächste!

Der Nächste: Eine Leberkässemmel, bitte.

Verkäuferin: Mit süßem oder scharfem Senf?

Man verlässt traurig die Bäckerei mit trockenem Backwerk und der Erkenntnis, dass auch in einer Stadt mit gefühlt unzähligen pflanzlichen Versorgungsmöglichkeiten diesen tatsächlich (nahezu…) unendlich viele Fleischquellen gegenüber stehen.

Forscher warnen: Milch taugt nicht für Erwachsene

Bevor das pflanzenbetriebene Herz ob dieser Meldung aus der Süddeutschen hüpft, sei gesagt: es geht um menschliche Muttermilch. Diese scheint derzeit als „besonderer Saft“ (wurde diese Bezeichnung nicht mal für Urin verwendet?) so sehr unter gesundheitsbewussten Zweibeinern gehypt zu werden, dass ihr eine Studie gewidmet wurde mit dem Ergebnis: menschliche Muttermilch ist nicht gut für erwachsene Menschen. Keimbelastet ist sie (da nicht von der Quelle getrunken). Zu wenig Proteine hat sie. Für erwachsene Menschen.

Kein Wort über tierische Muttermilch in dem Bericht, aber für Otto Normalverbraucher klingt sie im Vergleich wie eine gesunde Alternative. Keine Keimbelastung (da vielfach verarbeitet). Viele Proteine. Genau das richtige eben für zentnerschwere Paarhufer-Babys mit vier Mägen. Und für erwachsene Menschen.

Some Pig

Ein wenig bekannter Zeichentrickfilm, der mich einst nachhaltig beeindruckt hat, ist „Charlotte’s Web“ (basierend auf dem gleichnamigen Buch von E. B. White). Hier entgeht Schweinchen Wilbur der Schlachtung, weil seine Freundin, die Spinne Charlotte, in ihr Netz Botschaften webt. „Some Pig“, ein besonderes Schwein, lautet die erste. Der Bauer jedenfalls ist beeindruckt und lässt das Schwein am Leben. Nun gab es einen Hobbybauern und Künstler, der sein Schwein Donata ebenfalls am Leben ließ, weil es in seinen Augen etwas Besonderes war. Er hatte ja auch viele Stunden damit verbracht, es am ganzen Körper zu tättowieren. Als Donata dann eines Tages tot umfiel, stopfte und stellte er sie aus, damit alle Welt sein besonderes Schwein sehen konnte. Zur Zeit kann man sie in Hamburg bewundern. Doch, ach, der Ärger ist groß. „Geschmacklos, pietätlos, unmenschlich, pervers“ finden die Menschen das. Eine Handvoll Tiere, die da einfach so für Kunst missbraucht werden, das geht ja nun überhaupt nicht, empören sich Tierschützer und auch Normalbürger. Da bleibt einem die Lakritze im Halse stecken, man verschluckt sich am Sekt Orange, man krallt sich am bunten „Lecker Schmecker Cappuccino“ – Wandtattoo fest, bis der Leim sich löst. Zünden wir also mit einem Streichholz eine Kerze an – für Donata, Wilbur und Pig 05049. Und für die Zigmillionen Schweine in unserem Land, die einfach auf dem Müll landen. Und die restlichen Milliarden auf dieser Welt, die gerade leben oder geschlachtet wurden. Denn sie haben es alle nicht schön (gehabt). SomePigDanach diskutieren wir bei einem Tässchen Tee und Streichschnittchen, ob es pietätloser ist, Figuren auf einen Hautteil des Schweines zu malen oder Hautteile des Schweines zu (Bärchen)Figuren zu gießen.

Ernährungs-Erziehungs-Fail

In einer „befreundeten“ Kita haben die Vorschulkinder ein tolles, großes Bild gemalt zum Thema artgerechter Tierhaltung, mit glücklichen und traurigen Nutztieren vor grünem respektive grauen Hintergrund. Es hängt rechts neben dem Eingang zum Gruppenraum.

Links von der Tür hängt eine Liste mit Anregungen, was den Kindern als Jause mitgegeben werden kann: Leberwurstbrot, Bifi, BabyBel.

Wieso muss Fleisch an den Speck?

Wenn ich ein Erlebnis als Schlüsselmoment festlegen soll, das mich zum Nachdenken über das Nahrungs-Konsumverhalten gebracht hat und schlussendlich zum Veganismus geführt hat, dann wäre das jenes, als ich für mein jetzt großes Kind kurz nach Beikoststart ein Gläschen Rindfleisch geöffnet habe. Ein widerlicher Geruch stieg mir in die Nase, auch der Anblick des Fleischbreis war keine Freude. Damit sollte ich mein Baby füttern?
Ich mischte die Pampe unter einen Gemüsebrei. Das brachte weder eine Verbesserung der Ästhetik, noch milderte es den penetranten Gestank. Eine Geschmacksprobe rundete den Gesamteindruck ab: ekelhaft. Dennoch verfütterte ich den Brei an mein Baby. Warum? Weil man es doch so macht. Das sagt der Kinderarzt, die Hebamme, die Eltern, die Werbung: das Kind braucht doch Fleisch!
Zwar war das Kleine alles andere als begeistert von dem, was ich ihm da kredenzte, und es landeten nur wenige Bissen in seinem Magen. Trotzdem überfiel mich eine tiefe Traurigkeit: mein Kind war kein Vegetarier mehr. Nicht, dass ich zu diesem Zeitpunkt einer war, nein, aber es schlich sich ein Gefühl ein, als hätte ich meinem Kind ein Stück Unschuld geraubt.
Da ich damals eben ein durchschnittlicher unreflektierter Allesesser war, setzte bald der Alltag wieder ein. „Unser Kleines ist jetzt kein Vegetarier mehr!“, erzählte ich also verschwörerisch grinsend dem Ehemann, den Eltern, Freunden. Das ist wohl das Phänomen, dass man Kognitive Dissonanz nennt. Im Folgenden wurden dann nur noch die Fleischbeilage besser kaschierende Menügläschen angeschafft, denn es half ja alles nichts: das Kind muss doch Fleisch essen! (Hätte ich den bisherigen Text noch vor 4 Jahren gelesen, hätte ich über das winselnde Weichei gelacht.)

Jahre später standen wir nun wieder am gleichen Punkt: ein Baby im fortgeschrittenen Alter, das mehr und mehr Energie braucht. Das Kind braucht Eisen, geben Sie ihm Fleisch, sagte der Kinderarzt.  Die Hebamme, die Eltern, die Geschwister, die Werbung sagen: das Kind braucht Fleisch!
Nun weiß ich ja inzwischen als aufgeklärter Konsument, dass Fleisch wenig Eisen enthält. Schweineleber und Blut sind die einzigen wirklich guten tierischen Quellen. Soll ich meinem Kind jeden Tag eine Portion davon geben, damit es versorgt wird? Leben wir in einem von Dürre heimgesuchten Entwicklungsland und haben nur ein hageres Schwein im Garten stehen oder nicht doch in einem überversorgten Erstweltland?

Warum also soll Fleisch an den (Baby)Speck? Was enthält dieses magische Glas Fleischbrei, das praktischerweise im Handel ist, da die Kinder ja Fleisch brauchen? Fleisch liefert ja laut landläufiger (aber falscher) Meinung viel B12 und Eisen und ist tatsächlich proteinreich und Vitamin D-haltig.
Das Gläschen Rindfleischbrei eines führenden Herstellers enthält 41 % Rindfleisch, der Rest ist Wasser und etwas Öl. Der Inhalt von 125 g reicht für zwei Portionen. Der Eisengehalt von Rindfleisch liegt bei ca. 2 mg pro 100 g. Macht freundlich aufgerunded 0,6 mg Eisen pro Portion. Ein Baby ab 5 Monaten braucht 8 mg Eisen am Tag (laut DGE). Das sind nicht mal 10% davon. Und der Proteingehalt: 2 g Eiweiß pro Portion das sind immerhin ca. 20 % des Tagesbedarfs. So viel und mehr kriegt man aber auch über andere – pflanzliche – Quellen. Das Gleiche gilt für Vitamin D.

Warum Fleisch für die Kleinsten? Keine Ahnung. In dem Fall greift nicht einmal das Totschlagargument („Weil es schmeckt“).

Übrigens hat derselbe führende Hersteller vegetarische Menüs im Angebot. Diese sind mit Eisen angereichert, enthalten aber aus unklaren Gründen Kuhmilch, was der Aufnahme nicht unbedingt förderlich ist.

Viele Informationen zum Thema Makro- und Mikronährstoffe gibt es bei High Five Vegan. Ausserdem sehenswert ist die die Hitliste der eisenhaltigen Lebensmittel im Wikipedia-Artikel zum Thema Eisenmangel, die nicht nach „Warengruppen“ aufgeteilt ist und so noch deutlicher macht, wie schlecht es diesbezüglich um Nahrung tierischer Herkunft steht.

Die Veganisierung der Maxvorstadt

… schreitet voran, hier verhungert niemand mehr.

Das hier bereits erwähnte Lost Weekend ist der Renner. Ein beliebter Treffpunkt für Studenten (man muss früh dran sein, wenn man sich zum Lernen treffen will – eduroam ist ja inklusive 😉 ). Das Beste daran: es wird garnicht erwähnt, dass es „nur“ Pflanzenkost gibt. Ich habe tatsächlich beim ersten Besuch verunsichert nachgefragt, weil mich das Schokocroissant so angelacht hat. Aber ja, es ist so, man muss kein Wort darüber verlieren. Vielleicht wird das eines Tages ja zur Normalität in gastronomischen Betrieben.

Des Weitere  wurde das Ice Date in der Amalienstraße für die Wintermonate zur Glückskost mit kleiner, feiner Snackauswahl.

In der Barer Straße blieb mein geschultes Auge bei der Speisekarte der Waldmeister hängen, die eine vegane Bolognese im Angebot hat. Im Vorbeigehen konnte ich mich natürlich nicht die Qualität derselben überprüfen, noch, ob die Kürbissuppe pflanzlich ist oder, ob es im reichhaltigen Frühstücksangebot (ab 8h) etwas Interessantes gibt, aber das kann man ja nachholen.

Das Lustigste zum Schluss – auch im Sausalitos in der Türkenstraße kann man jetzt nach über-/bestandener Prüfung vegan abstürzen, für entsprechende Speisen und Drinks ist gesorgt. Gilt natürlich auch für die JGAs in der Filiale im Tal 😉

Nun schnell den Stadtplan aktualisiert!

Böses Soja? Böser Dünger!

Das SZ-Magazin dieses Wochenendes macht eine Problematik des massiven Sojaanbaus in Südamerika zum Titelthema: den ebenso massiven Pestizideinsatz und seine Opfer. Menschen, gezeichnet vom Krebs, Atemwegserkrankungen zuhauf. Verwaiste Eltern. Kinder mit Fehlbildungen. Es ist furchtbar, was passiert und daher gut und wichtig, dass es eine größere Öffentlichkeit erfährt.

Leider kommen meiner Meinung nach einige Punkte zu kurz, wodurch Ottilie/Otto Normalverbraucher das Heft nach der Lektüre beiseitelegen wird, sich kurz mal „Oh, wie schrecklich“ denken, vom Milchkaffee To Go nippen und zur Tagesordnung übergehen.

Vom Titelblatt lässt sich erst einmal nur ableiten, dass die genmanipulierten Sojabohnen Leid über die Anwohner der Felder bringt.
Zunächst wird in einem frühen Absatz konkret aufgezählt, in welchen Lebensmitteln Soja steckt, bzw. versteckt ist. Später wird auch darauf eingegangen, dass die Nachfrage stark angestiegen ist, seit aufgrund von BSE kein Tiermehl mehr an Tiere verfüttert wird. Allerdings fehlt der Hinweis darauf, dass tatsächlich der bei weitem größte Anteil an Soja zu Tierfutter verarbeitet wird. Das Gleiche gilt natürlich für Getreide und Mais, die ebenfalls pestizidresistent designt wurden und ebenfalls in gigantischen Monokulturen ebenfalls in Südamerika angebaut werden. Diese werden jedoch nur am Rande erwähnt.

Immer wieder schimmert durch, dass laut Autor alles viel besser war, als noch Rinder in den Weiten der Pampa grasten. Wünscht er sich eine Rückkehr zu diesen Zuständen? Widerkäuende Methanschleudern schaden den Anwohnern nicht unmittelbar (so wie „uns“ die besagten Monokulturen nicht unmittelbar schaden). Für die klimatischen und ökologischen Konsequenzen müssen dennoch die späteren Generationen zahlen.

Es ist ein Artikel, der berühren soll, aber bloß nicht zu sehr. Das weniger informierte Ich vor vier, fünf Jahren hätte aus diesem Artikel nicht die Verbindung herstellen können zum Milchkaffee, den Gummibärchen, der Leberkässemmel, der Tütensuppe und dem Tassenpudding. Und und und…

Vielleicht ist es auch einfach nur guter, neutraler Journalismus. Doch wäre es schön gewesen, am Ende noch einmal dem geneigten Leser deutlich zu machen, dass er diesen Wahnsinn mitfinanziert. Dass er Teil des Problems ist.